LG Tübingen: „Homosexuell“ ist keine Beleidigung

Polizeibeamte als „homosexuell“ zu bezeichnen ist keine Beleidigung im Sinne des § 185 StGB.

Der Angeklagte bezeichnete während einer Blutentnahme auf einem Polizeirevier vier Polizisten als „Homosexuell“, „dreckige Schwanzlutscher“ und „Schwuchteln“. Das Amtsgericht Tübingen sah in den letzten beiden Äußerungen eine Beleidigung im Sinne des § 185 StGB. Bezüglich der Beleidigung beim Wort „Homosexuell“ erkannte das Amtsgericht dagegen keine Beleidigung.

Die Staatsanwaltschaft sah dies anders und ging in die Berufung. Aber auch das Landgericht Tübingen wollte im Berufungsverfahren die Bezeichnung als „Homosexuell“ nicht als Ehrverletzend ansehen.
Dabei führt das Gericht aus, dass es sich um eine wertmindernde Bezeichnungen handeln müsste, damit diese die Ehre verletzen könnte. Eine wertneutrale Äußerung stellt dagegen keine Beleidigung da. Auch dann nicht, wenn der Aussprechende dies „beleidigend“ meint.
Die Wertneutralität der Bezeichnung „Homosexuell“ erkennt das Gerichts vor allem an dem Schutz von sexuellen Minderheiten durch die Verfassung und das Antidiskriminierungsgesetz vor Diskriminierungen. Auch seien Homosexuelle heutzutage in der Gesellschaft gut akzeptiert und die Polizei selbst betreibe ein Lesben- und Schwulen-Netzwerk.

So führt das Landgericht dann auch aus:

„Entscheidend ist aber, dass sich das Strafrecht in einen Widerspruch zu dem verfassungsrechtlich begründeten Antidiskriminierungsansatz begeben würde, wenn die Bezeichnung als „homosexuell“ als ehrmindernd und herabsetzend bewertet würde. Darin käme gerade die Diskriminierung zum Ausdruck, die von Rechts wegen nicht mehr sein soll. Insoweit verhält es sich nicht anders wie mit sonstigen Bezeichnungen einer sexuellen Präferenz wie „bisexuell“ oder „heterosexuell“ oder mit Bezeichnungen einer religiösen Zugehörigkeit wie Katholik oder Jude – und zwar völlig unabhängig davon, ob der Erklärungsempfänger der betreffenden Personengruppe angehört.“

Aus diesem Grund ist „Homosexuell“ keine Beleidigung. Auch ein Sonderrecht für Polizeibeamten in Uniform lehnte das Landgericht Tübingen ausdrücklich ab. Anders verhält es sich übrigens bei Äußerungen, die zusätzlich eine Herabwürdigung ausdrücken, wie beispielsweise „dreckige Schwanzlutzscher“ und „Schwuchteln“. Solche Bezeichnungen sind, wie vom Amtsgericht richtig gesehen, als Beleidigung zu würdigen.

LG Tübingen, Urteil vom 18. Juli 2012, Az.: 24 Ns 13 Js 10523/11

Über den Autor

Kanzlei: Rechtsanwalt und Strafverteidiger Dr. Böttner

Anwaltskanzlei für Strafrecht in Hamburg, Frankfurt und Neumünster: Strafrecht und Wirtschaftsstrafrecht, Strafverteidigung, Revision in Strafsachen Kanzlei mit Strafrecht-Spezialisierung Strafrecht und Wirtschaftsstrafrecht Rechtsanwalt und Strafverteidiger Fachanwalt für Strafrecht Strafverteidigung bundesweit

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht | Dr. jur. Sascha Böttner (Strafverteidiger)

Kanzlei für Strafrecht in Hamburg, Frankfurt am Main und Neumünster | Strafrecht und Wirtschaftsstrafrecht bundesweit.

In dringenden Fällen erreichen Sie unsere Anwaltskanzlei zu jeder Tag- und Nachtzeit. Notfallkontakt