Die Staatsanwaltschaft erhob am 08.04.2010 Anklage gegen einen Angeklagten mit Wohnhaft in Frankreich. Am 05.05.2010 ließ das AG die Anklage zu, eröffnete das Hauptverfahren und verfügte die Terminsladung für den 25.05.2010.
Die Ladung des Angeklagten wurde per Einschreiben mit Rückschein versandt. Dieser kam als unzustellbar zurück.
Durch die Geschäftsstelle wurde diese Ladung – angesichts des zwischenzeitlich eingegangen Rückbriefes und entgegen einer Verfügung des zuständigen Richters – nicht an den Angeklagten, sondern gegen Empfangsbekenntnis an dessen Verteidiger zugestellt. Der Verteidiger war nach seiner Strafprozessvollmacht zur Empfangnahme von Ladungen ausdrücklich ermächtigt.
Der Verteidiger sandte das Empfangsbekenntnis bezüglich seiner Ladung sowie das Empfangsbekenntnis zur Ladung seines Mandanten zurück. Der Verteidiger wies jedoch darauf hin, dass die Ladung per Postweg an den Angeklagten weitergeleitet worden sei, er jedoch keine Hoffnung habe, dass diese rechtzeitig ankäme.
Nachdem in der Hauptverhandlung vom 15.06.2010 weder der Angeklagte noch sein Verteidiger erschienen waren, erließ das AG gegen den Angeklagten einen auf § 230 II StPO gestützten Haftbefehl und stellte das Verfahren durch Beschluss (§ 205 StPO) vorläufig ein. Seitens der StA ist der Angeklagte seit dem 05.07.2010 zur Festnahme ausgeschrieben.
Der Verteidiger legte gegen den Haftbefehl Beschwerde ein.
Nach Ansicht der 2. Strafkammer hat die Beschwerde des Verteidigers Erfolg, da keine wirksame Ladung gem. § 216 I StPO vorliege, welche Voraussetzung für den Erlass eines Haftbefehls gem. § 230 II StPO sei.
Aus dem Wortlaut des Beschlusses:
An einer ordnungsgemäßen Ladung fehlt es vorliegend aber deshalb, weil der in der Ladung enthaltene Hinweis nach § 216 I StPO in dieser Form nicht hätte erteilt werden dürfen. Der Erlass eines Haftbefehls gegen einen dauerhaft im Ausland wohnhaften Angeklagten kommt grundsätzlich nicht in Betracht, weil die dafür erforderliche ordnungsgemäße Ladung gem. § 216 StPO eine Androhung von Zwangsmitteln voraussetzt, die nach allg. Grundsauen des Völkerrechts auf dem Gebiet eines fremden Staates unzulässig ist (OLG Frankfurt a.M., NStZ-RR 1999, 18, 19: OLG Köln, NStZ-RR 2006, 22; LG Münster, NStZ-RR 2005, 382).
Zwar wird dieser Grundsatz von der neueren obergerichtlichen Rechtsprechung dahingehend eingeschränkt, dass der Erlass eines Sicherungshaftbefehls gegen einen dauernd im Ausland lebenden Angeklagten zulässig ist, wenn in der dafür erforderlichen ordnungsgemäßen Ladung zur Hauptverhandlung die Androhung von Zwangsmitteln für den Fall des unentschuldigten Ausbleibens in der Weise eingeschränkt wird, dass diese lediglich im Inland vollstreckt werden kann (OLG Rostock, NStZ 2010, 412, 413; OLG Saarbrücken, NSZ-RR 2010, 49, 50). Eine solche Einschränkung enthält der Hinweis in der Ladung zum 15.06.2010 jedoch nicht, so dass es an einer ordnungsgemäßen Ladung gem. § 216 I SIPO fehlt.
Die Strafkammer hob den Haftbefehl daher auf.
2. Strafkammer des LG Saarbrücken, Az.: 2 Qs 22/10