4. Strafsenat des BGH, Az. 4 StR 280/09
Der Angeklagten ist vom Landgericht Dessau-Roßlau wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit einer gefährlichen Körperverletzung zu mehreren Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Die zwei Angeklagten wandten sich daraufhin gegen das Urteil mit ihrer Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH).
Als Begründung in der Sachrüge führen sie aus, dass sie in ihrem Anspruch auf ein faires Verfahren bzw. in ihren Rechten auf eine effektive Verteidigung gemäß § 338 Nr. 8 StPO i.V.m. Art. 6 Abs. 1, Abs. 3 c EMRK verletzt worden sind, indem ihnen nicht der gewünschte Verteidiger als Pflichtverteidiger beigeordnet worden sei.
Zu dieser Rüge gibt der der 4. Strafsenat des BGH folgende Bemerkung ab:
„Es erscheint nicht unbedenklich, dass die Jugendkammer ihre Entscheidung, dem Angeklagten nicht den von ihm gewünschten Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger beizuordnen, auf dessen Belastung mit Terminswahrnehmungen aus anderweitig übernommenen Mandatsverpflichtungen gestützt hat, ohne zuvor die Verfügbarkeit für die im vorliegenden Verfahren in Aussicht genommenen Hauptverhandlungstermine mit ihm geklärt zu haben. Im Übrigen kann das von § 142 Abs. 1 Satz 1 StPO geschützte Kosteninteresse nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei erheblichen Tatvorwürfen im Rahmen der gebotenen Abwägung aller Umstände hinter dem Interesse des Beschuldigten auf Verteidigung durch einen Rechtsanwalt seines Vertrauens zurücktreten (vgl. dazu BGHSt 43, 153, 155 f.; zur Maßgeblichkeit der Entfernung zwischen Gerichtsort und dem Sitz des Rechtsanwalts; vgl. Meyer-Goßner StPO 52. Aufl. § 142 Rdn. 12 m.w.N.).“
Aus diesen Erwägungen ergibt sich der Erfolg des Rechtsmittels der beiden Angeklagten.
Auch hinsichtlich des Tathergangs und der Feststellungen des Landgerichts fügt der Senat weitere Ergänzungen hinzu. Denn nachdem die beiden Angeklagten auf das Opfer mit einem ca. 25cm langen Messer einstechen konnten und dieses sich dann mit Tritten und lauten Schreien zu wehren versuchte, nahmen beide Angeklagten abstand vom eigentlichen Plan und flohen aus der Wohnung. Fraglich ist, ob die beiden Täter zu diesem Zeitpunkt der Tat annahmen, alles Erforderliche zur Verwirklichung der Straftat begangen zu haben. Danach richtet sich die Frage nach einem Rücktritt vom Versuch. So hätte das Landgericht vor allem den Rücktritt vom unbeendeten Versuch prüfen müssen.
Wortlaut der Ausführungen des Senats:
„Dass die Täter nach Durchführung der Tathandlung annahmen, alles Erforderliche getan zu haben, ist auch deshalb nicht nahe liegend, hätte aber in jedem Fall besonderer Begründung bedurft, weil sie nach den Feststellungen die Schwere der Verletzungen bei dem mit einem T-Shirt und einer Jacke bekleideten Geschädigten nicht wahrnahmen. Auch der Rettungsassistent P. , der mit dem herbeigerufenen Krankenwagen erst später in der Wohnung des Geschädigten erschien, konnte zunächst mit Ausnahme einer Schnittverletzung an der Wange keine weiteren äußeren Verletzungen beim Geschädigten erkennen. Die von der Jugendkammer getroffenen Feststellungen lassen daher einen freiwilligen Rücktritt beider Angeklagter als möglich erscheinen. Dies wird der neue Tatrichter im Einzelnen aufklären und dabei auch prüfen müssen, ob die Angeklagten wegen der Schreie und der Gegenwehr des Tatopfers annahmen, die Tat werde alsbald entdeckt werden, und deshalb wegen eines beträchtlich gesteigerten Entdeckungsrisikos nicht mehr freiwillig von der Tat Abstand nahmen. Dagegen spricht insbesondere, worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen hat, dass der Angeklagte H. den Angeklagten F. trotz der Gegenwehr noch dazu aufforderte, nun seinerseits auf das Opfer einzustechen. Dies legt die Annahme nahe, dass er eine Vollendung der Tat trotz Abweichung vom ursprünglichen Tatplan noch nicht für unvertretbar riskant erachtete, zumal der Geschädigte im Hausflur erst um Hilfe schrie, als sich beide Angeklagten vom Tatort bereits entfernt hatten.“
Aus diesem Grund wird der neue Tatrichter die Sache erneut zu verhandeln und diese Feststellungen zu berücksichtigt haben. Das Urteil ist somit aufgrund der erfolgreichen Revision aufgehoben und an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückgewiesen worden.