BGH zur Notwehrlage mit Schusswaffe

Das Landgericht  Wiesbaden hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Schusswaffe in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Führen einer halbautomatischen Schusswaffe zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt und die Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt.

Die Staatsanwaltschaft war von versuchtem Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie mit vorsätzlichem unerlaubten Besitz und Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe ausgegangen.

Das Landgericht hat eine Verurteilung wegen versuchtem Totschlag und gefährlicher Körperverletzung abgelehnt, da der Schuss auf den Nebenkläger gerechtfertigt war:

„Das Landgericht ist zwar im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass insoweit, als der vom Angeklagten abgegebene Schuss auf den Nebenkläger durch Notwehr gerechtfertigt war, auch die Strafbarkeit wegen des damit unmittelbar zusammenfallenden Führens einer Schusswaffe entfällt (vgl. BGH NStZ 1981, 299; 1999, 347; NJW 2001, 3200, 3203; NStZ-RR 2010, 140). Es hat jedoch verkannt, dass die vorausgehenden Dauerdelikte des Besitzes und des Führens der Waffe und die eine Zäsur bewirkende anschließende Verwendung der Waffe auch dann mehrere Taten bilden (§ 53 StGB), wenn jene Verwendung der Waffe – wie hier der Schusswaffengebrauch infolge der Rechtfertigung durch Notwehr – nicht strafbar ist (vgl. BGH NStZ 1999, 347; NJW 2001, 3200, 3203; Heinrich in: Steindorf/Heinrich/Papsthart, Waffenrecht 9. Aufl. § 52 Rn. 62). Der Angeklagte ist deshalb vom Anklagevorwurf freizusprechen.
Ein zeitlich vorgelagertes Vergehen gegen das Waffengesetz ist nicht Verfahrensgegenstand geworden und durfte deshalb vom Schwurgericht nicht abgeurteilt werden. Anklage und Eröffnungsbeschluss werfen dem Angeklagten allein das durch den Schusswaffeneinsatz begangene, gerechtfertigte Waffendelikt vor. Dass er vorher unerlaubt die tatsächliche Gewalt über eine Schusswaffe ausgeübt und sie bis zum Eintritt der Notwehrlage unerlaubt mit sich geführt habe, wird in der Anklageschrift nicht erwähnt. Diese Tat hätte deshalb nur durch eine Nachtragsanklage gemäß § 266 StPO in das Verfahren einbezogen werden können. Dies ist nicht geschehen. Daher ist das Verfahren insoweit einzustellen (§ 206a StPO).“

Der BGH nimmt hier ebenfalls eine Notwehrlage an, welche sich auf das damit unmittelbar zusammentreffende Führen einer Schusswaffe erstreckt. Wenn also der Gebrauch der Waffe wegen Notwehr straflos bleibt, entfällt auch die Strafbarkeit wegen des Führens der Waffe, soweit es mit diesem Geschehen unmittelbar zusammenfällt.

Ein zeitlich vorgelagertes Vergehen gegen das Waffengesetz darf nur dann abgeurteilt werden, sofern es Verfahrensgegenstand geworden ist. Hier hätte diese Tat folglich nur durch eine Nachtragsanklage nach § 266 StPO in das Verfahren einbezogen werden können.

BGH, Beschluss vom 27.12.2011, Az.: 2 StR 380/11

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