Notwehr

  • Das Amtsgericht Dresden musste sich jüngst mit der Frage beschäftigen, wann man sich gegen das Festhalten durch Fahrkartenkontrolleure wehren darf.

    Eine Frau war wegen versuchter räuberischer Erpressung, Schwarzfahrens und Körperverletzung angeklagt. Ihr wurde vorgeworfen, ohne Ticket mit der S-Bahn gefahren zu sein und einen Kontrolleur in den Oberarm gebissen zu haben, als dieser sie deswegen festhalten wollte.

    Die Verteidigungsstrategie sich auf Notwehr zu berufen ging auf: Das Amtsgericht Dresden musste die Angeklagte freisprechen, da eine Notwehrlage im Sinne des § 32 StGB nicht ausgeschlossen werden konnte.

  • Sowohl die Notwehr als auch die Nothilfe sind in § 32 StGB geregelt. Während bei der Notwehr ein Angriff auf den in Notwehr handelnden abgewehrt werden soll, bedeutet die Nothilfe die Verteidigung zu Gunsten einer dritten Person.

    Grundsätzlich dürfen bei Notwehr und Nothilfe die gleichen Mittel und Maßnahmen ergriffen werden, um einen Angriff von einer dritten Person abzuwenden, als wäre der Angriff direkt gegen einen selbst verübt worden. Auch ist es nicht notwendig, dass der Dritte die Hilfe erbeten oder auch nur erwünscht hätte. Daher sind die Grundsätze für die Notwehr und Nothilfe auch weitestgehend identisch.

  • In den USA wurde ein 17-jähriger Austauschschüler aus Hamburg erschossen. Der Schütze beruft sich dabei auf sein Notwehrrecht. Der Jugendliche befand sich in der fraglichen Nacht in der Garage des Schützen. Wieso und warum er in die Garage des Mannes ging, ist bisher noch unklar. Medien berichten jedoch, dass der Beschuldigte gezielt seine Garage als Falle für Einbrecher hergerichtet haben soll, da er bereits zweimal Opfer von Einbrechern geworden sei. Laut einer Zeugin soll er bereits mehrere Nächte auf der Lauer gelegen haben, um „einen Einbrecher erlegen zu können“. Der Beschuldigte bestreitet dies über einen Strafverteidiger. Nachdem die Staatsanwaltschaft in den USA die Anklageschrift veröffentlicht hat, hat nun auch die Staatsanwaltschaft Hamburg die Ermittlungen wegen Totschlags (§ 212 StGB) aufgenommen.

  • Eine Auseinandersetzung in den frühen Morgenstunden endete für einen Kontrahenten tödlich. Nachdem der später getötete 38-Jährige mehrfach mit der Bierflasche auf seinen Gegner eingeschlagen hatte, zog der Angeklagte ein Messer und traf den Geschädigten tödlich. Vor dem Landgericht musste er sich nun wegen Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB) verantworten. Die Strafverteidigung plädierte auf Freispruch wegen Notwehr.

  • Die wahrheitswidrige Berufung auf Notwehr ist grundsätzlich erlaubt.

    Der Angeklagte soll in zwei getrennten Fällen Personen mit einem Messer verletzt haben. Nach Überzeugung des Landgerichts Bielefeld verteidigte sich der Angeklagte wahrheitswidrig mit der Behauptung, dass er in Notwehr handelte, da die Personen ihn zuvor angegriffen hätten. Das Landgericht wertete die Bezichtigung eines Angriffes durch die Zeugen als schulderhöhend.

    Die Strafverteidigung legte erfolgreich Revision gegen die Verurteilung beim Bundesgerichtshof (BGH) ein.

  • Der Messereinsatz muss in einer Notwehrsituation nicht angedroht werden, wenn die Gefahr droht, dass dies den Angriff nicht mit Sicherheit beendet.

    Der Angeklagte wurde vom Landgericht Wiesbaden wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt.

  • Lässt das Gericht es offen, ob ein Schuss gerechtfertigt war, dann darf es diesen nicht bei der Strafzumessung berücksichtigen.

    Der 1935 geborene Angeklagte war seit längerem mit seiner Schwester im Streit. Am Tattag ging er zum Anwesen seiner Schwester und nahm dabei einen Revolver mit, für den er keine Erlaubnis besaß. Ob bereits zu diesem Zeitpunkt eine Tötungsabsichten bestanden, konnte das Landgericht Stade nicht aufklären. Als der Angeklagte das Anwesen betrat, begegnete ihm der Lebensgefährte seiner Schwester. Nach wechselseitigen Beleidigungen ergriff der Lebensgefährte einen 1,90m großen Holzbalken und bedrohte damit den Angeklagten.

  • Ein Schlag auf ein Kameraobjektiv eines Pressefotografen zur Unterbindung der Fotografie kann eine Notwehr sein.

    Der Angeklagte stand wegen eines anderen Verfahrens vor dem Amtsgericht Hamburg-Wandsbek. Auf dem Gerichtsflur wurde er von einem Pressefotografen mehrfach abgelichtet. Auch als der Angeklagte den Fotografen aufforderte aufzuhören, fertigte dieser weitere Fotos an. Daraufhin schlug der Angeklagte auf das Objektiv der Kamera und verletzt den Fotografen leicht.

    Das Landgericht sah in diesem Handeln eine gefährliche Körperverletzung gemäß §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Eine Notwehrlage wollte das Landgericht nicht erkennen, da das Fotografieren in einem öffentlichen Gerichtsgebäude anlässlich einer öffentlichen Hauptverhandlung kein notwehrfähiger Angriff sei.

    Dagegen legte die Strafverteidigung ihrerseits die Revision ein. Das Oberlandesgericht Hamburg zeigte schon bezüglich des gefährlichen Werkzeuges im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB bedenken:

    Ein gefährliches Werkzeug ist ein Gegenstand, der nach seiner objektiven Beschaffenheit und nach der Art seiner Benutzung im Einzelfall geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen zuzufügen. Entscheidend ist dabei die Erheblichkeit der Verletzungen, die der Täter durch den Einsatz dieses Werkzeuges verursacht hat oder verursachen wollte (Fischer, StGB, 59. Aufl. 2012, § 224 Rn. 9 m.w.N.).

    Zur objektiven Eignung der Kamera, erhebliche Verletzungen herbeizuführen, enthält das Urteil außer einer formelhaften Behauptung (UA 17) keine Feststellungen. Die tatsächlich eingetretenen Verletzungen durch den mit Wucht ausgeführten Schlag gegen die Kamera (UA 6) sind vergleichsweise gering und unterscheiden sich nicht durch Verletzungen, die auch durch einen Schlag mit der bloßen Hand in das Gesicht hätten herbeigeführt werden können.

    Eine einfache Körperverletzung würde dagegen zwar vorliegen, jedoch hat das Landgericht die Notwehr nicht rechtsfehlerfrei verneint. So erkennt das OLG Hamburg bereits eine Notwehrlage:

    Das Anfertigen von Bildern ohne Einverständnis des Betroffenen stellt keinen Eingriff in § 22 KunstUrhG dar, denn diese Norm regelt ausdrücklich nur das Verbreiten oder öffentliche zur Schau stellen von Bildnissen. Das Herstellen eines Bildes stellt aber nach allgemeiner Ansicht der Rechtsprechung einen Eingriff in das sich aus Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG ergebene allgemeine Persönlichkeitsrecht (Recht am eigenen Bild) dar, weil bereits mit der Anfertigung des Bildes in das Selbstdarstellungsrecht des Betroffenen eingegriffen, das Bildnis in der konkreten Form der Kontrolle und Verfügungsgewalt des Abgebildeten entzogen wird (Dreier/Schulze, 2. Aufl. 2006, § 22 KunstUrhG Rn. 13 m.w.N.; Götting in: Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Aufl. 2010, § 22 KunstUrhG Rn. 5 und 35 m.w.N.; OLG Karlsruhe, NJW 1982, 123).

    Eine Rechtfertigung nach §§ 22, 23 KunstUrhG sei ferner nicht gegeben, vor allem ist der Angeklagte keine Person der Zeitgeschichte.

    Das Fotografieren des Angeklagten ist nicht etwa deshalb gerechtfertigt, weil die Staatsanwaltschaft das Verfahren auf die Presseliste gesetzt hat. Das Recht des Angeklagten am eigenen Bild entfällt auch nicht bereits deshalb, weil er in einem öffentlichen Gerichtsgebäude anlässlich einer öffentlichen Hauptverhandlung fotografiert wurde. Ebenso wenig reicht die pauschale Feststellung, die Öffentlichkeit habe Interesse an Informationen über Strafverfahren in Schrift und Bild. Wenn das Landgericht ausführt, es sei Ausdruck der Pressefreiheit zu entscheiden, ob Artikel bebildert werden oder nicht, der Angeklagte habe dies auch in einem Strafverfahren, das eher dem Bereich der Kleinkriminalität zuzurechnen sei, hinzunehmen, so macht dies deutlich, dass das Landgericht das grundrechtlich geschützte Recht des Angeklagten am eigenen Bild nicht ausreichend in seine Abwägung eingestellt hat.“

    Zum Abschluss stellt das OLG Hamburg noch einmal klar, dass es grundsätzlich keine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter bei der Notwehr gibt:

    Der Schlag gegen die Kamera ist grundsätzlich geeignet, ein rechtswidriges Fotografieren zu beenden. Die bisherigen Feststellungen ergeben auch nicht, dass dem Angeklagten ein milderes Mittel zur Verfügung gestanden haben könnte. Der Angeklagte musste sich nicht darauf beschränken, sein Gesicht zu verdecken, denn der Angriff betraf die Abbildung seiner gesamten Person, nicht nur die seines Gesichts. Er durfte vielmehr die Verteidigung wählen, die den Angriff sofort und endgültig beendete. Die Feststellungen ergeben auch nicht, dass der zur Tatzeit 58-jährige Angeklagte in der Lage gewesen wäre, mit weniger Gewaltanwendung, etwa durch einfaches Wegnehmen der Kamera, den Angriff zu beenden. Eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter, wie sie das Landgericht offenbar mit der Bejahung der „Unverhältnismäßigkeit“ vornehmen will, findet bei § 32 StGB grundsätzlich nicht statt (Fischer, § 32 StGB Rn. 31 m.w.N.).

    Somit muss sich das Landgericht Hamburg noch einmal mit der Sache beschäftigen. Das OLG Hamburg stellt zusätzlich fest, dass, wenn das Landgericht wieder eine Notwehr ablehnen sollte, zumindest ein Irrtum zu prüfen ist.

    OLG Hamburg, Beschluss vom 5. April 2012, Az.: 3-14/12

  • Das Landgericht Koblenz hat den Angeklagten unter anderem wegen Totschlags zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt.

    Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte Mitglied der „Hells Angels“. Ihm wurde bekannt, dass es zu einem Angriff des verfeindeten Rockerclubs „Bandidos“ kommen sollte.
    Zeitgleich ermittelten Strafverfolgungsbehörden gegen Mitglieder der Hells Angels, wobei Durchsuchungsbeschlüsse – unter anderem gegen den Angeklagten – erlassen wurden.

  • Das Landgericht  Wiesbaden hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Schusswaffe in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Führen einer halbautomatischen Schusswaffe zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt und die Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt.

    Die Staatsanwaltschaft war von versuchtem Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie mit vorsätzlichem unerlaubten Besitz und Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe ausgegangen.

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