Bundesgerichtshof (BGH)

  • Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshof (BGH), Nr. 102/2011 vom 14.06.2011

    Der I. Zivilsenat des BGH beschäftigte sich mit der Frage, ob die Bezeichnung „zertifizierter Testamentvollstrecker“ gegen das anwaltliche Berufsrecht oder das Irreführungsverbot im Wettbewerbsrecht verstößt, sofern die Anforderungen des Betroffenen erfüllt werden.


    Pressemitteilung:

    Bundesgerichtshof zur Verwendung der Bezeichnung „zertifizierter Testamentsvollstrecker“

    Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Verwendung der Bezeichnung „zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT)“ durch einen Rechtsanwalt grundsätzlich nicht gegen das anwaltliche Berufsrecht und gegen das Irreführungsverbot verstößt, wenn der Betreffende sowohl in theoretischer als auch in praktischer Hinsicht bestimmte Anforderungen erfüllt.

    Der beklagte Rechtsanwalt ist Partner einer Anwaltskanzlei in Regensburg. Im Briefkopf bezeichnet er sich als „Zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT)“. Er verfügt über ein Zertifikat der Arbeitsgemeinschaft Testamentsvollstreckung und Vermögenssorge e.V. (AGT), die auf Antrag eine Bescheinigung als „Zertifizierter Testamentsvollstrecker“ ausstellt, wenn der Antragsteller an bestimmten Leistungskontrollen teilgenommen hat.Rechtsanwälte benötigen zum Nachweis der praktischen Fertigkeiten lediglich eine zweijährige Tätigkeit im Beruf.

    Die klagende Rechtsanwaltskammer Nürnberg hat die Bezeichnung „Zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT)“ als irreführend und berufsrechtswidrig beanstandet, weil der Beklagte keine hinreichenden praktischen Fähigkeiten auf dem Gebiet der Testamentsvollstreckung aufweise.
    Zudem werde der unzutreffende Eindruck vermittelt, dass es den Beruf des Testamentsvollstreckers gebe.

    Das Landgericht Regensburg hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht Nürnberg hat ihr stattgegeben (OLG Nürnberg, GRUR-RR 2011, 12). Die Werbung mit der Bezeichnung „Zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT)“, sei unsachlich und irreführend, weil dadurch bei den angesprochenen Verbrauchern die Erwartung geweckt werde, dass derjenige, der sich in dieser Weise präsentiere, regelmäßig als Testamentsvollstrecker tätig werde. Diese Voraussetzung erfülle der Beklagte nicht, da er bislang nach seinem eigenen Vortrag erst in zwei Fällen als Testamentsvollstrecker tätig geworden sei.

    Der Bundesgerichtshof hat die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision des Beklagten zurückgewiesen. Gegen einen Hinweis auf die Zertifizierung im Zusammenhang mit der Tätigkeit als Testamentsvollstrecker bestehen danach aus berufs- und wettbewerbsrechtlicher Sicht allerdings keine Bedenken. Die Angabe enthält eine Information, die für das rechtssuchende Publikum durchaus von Bedeutung sei. Bei den Werbeadressaten wird dadurch nicht der unzutreffende Eindruck hervorgerufen, das Zertifikat sei von einer amtlichen Stelle ausgestellt worden. Auch die Verwendung der Bezeichnung „Testamentsvollstrecker“ ist an sich nicht irreführend oder unsachlich. Der Verkehr erkennt, dass es sich hierbei nicht um eine besondere Berufsbezeichnung, sondern um eine Tätigkeitsbeschreibung handelt. Die angesprochenen Verbraucher erwarten von einem „zertifizierten Testamentsvollstrecker“ aber, dass er über besondere theoretische Kenntnisse und praktische Erfahrungen auf dem Gebiet der Testamentsvollstreckung verfügt. Dies setzt auch bei Rechtsanwälten voraus, dass sie in der Vergangenheit wiederholt als Testamentsvollstrecker tätig geworden sind. Es ist daher irreführend, wenn Rechtsanwälte ohne praktische Erfahrung als Testamentsvollstrecker die Bezeichnung „zertifizierter Testamentsvollstrecker“ verwenden. Auch eine zweimalige Tätigkeit als Testamentsvollstrecker reicht – so der BGH – nicht aus, um den Erwartungen zu entsprechen, die der Verkehr an einen „zertifizierten Testamentsvollstrecker“ stellt.

    Urteil vom 9. Juni 2011 – I ZR 113/10

    LG Regensburg – Urteil vom 28. Januar 2010 – 1 HK O 2329/09

    OLG Nürnberg – Urteil vom 28. Mai 2010 – 3 U 318/10


  • Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs (BGH), Nr. 103/2011 vom 15.06.2011

    In der folgenden Entscheidung hat der Zivilsenat des BGH zu der Erheblichkeit eines Mangels beim Autokauf entschieden, welcher Zeitpunkt für die Feststellung des Mangels entscheidend ist, welche Erheblichkeit des solchen vorliegen muss und welche Rechte der Käufer in Gestalt von Minderung, Rücktritt oder gar Schadensersatz besitzt.

    Pressemitteilung:

    Zur Erheblichkeit eines Mangels beim Kfz-Kauf

    Der Bundesgerichtshof hat heute eine Entscheidung zur Erheblichkeit eines Mangels beim Kfz-Kauf getroffen.

    Der Kläger kaufte im September 2003 vom Beklagten ein Neufahrzeug Mazda M 6 Kombi für 25.860 €. Nach Auslieferung des Fahrzeugs rügte der Kläger eine Vielzahl von Mängeln, die zu einer Reihe von Werkstattaufenthalten führten.
    Mit Schreiben vom 23. November 2005 trat der Kläger vom Kaufvertrag zurück.
    Mit seiner Klage hat er Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs sowie Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten begehrt. Das Landgericht hat der Klage nach Abzug einer Nutzungsentschädigung überwiegend stattgegeben, nachdem durch ein im Prozess eingeholtes Sachverständigengutachten Rostanhaftungen im Bereich am Fahrzeugunterboden befindlichen Fahrgestells sowie Fehler an der vorderen Achseinstellung festgestellt worden waren. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, dass – anders als die Rostanhaftungen am Unterboden – die Fehler an der vorderen Achseinstellung zwar einen Mangel darstellten. Dieser sei jedoch unter anderem wegen der im Verhältnis zum Kaufpreis geringen Mangelbeseitigungskosten von weniger als fünf Prozent unerheblich und berechtige nicht zum Rücktritt vom Kaufvertrag.

    Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers hatte Erfolg. Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat seine Rechtsprechung bekräftigt, dass für die Beurteilung der Frage, ob ein Mangel des gelieferten Fahrzeugs unerheblich ist und der Käufer deswegen nicht vom Kaufvertrag zurücktreten kann, auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung abzustellen ist. Ist in diesem Zeitpunkt die Ursache des fehlerhaften Fahrverhaltens eines Fahrzeugs trotz mehrerer Reparaturversuche des Verkäufers nicht ermittelt, ändert an der Erheblichkeit des Mangels nichts, dass durch ein im Verlauf des Rechtsstreits eingeholtes Gutachten die Ursache des Mangels und die mit verhältnismäßig geringem Aufwand zu bewerkstelligende Möglichkeit seiner Behebung offenbar geworden sind.

    Urteil vom 15. Juni 2011 – VIII ZR 139/09

    LG Neubrandenburg – Urteil vom 12. März 2008 – 3 O 527/05

    OLG  Rostock – Urteil vom 13. Mai 2009 – 1 U 103/08


  • Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshof (BGH) Nr. 108/2011 vom 21.06.2011

    Das ewige Thema der Sicherungsverwahrung. Der BGH hat im folgenden Fall die nachträgliche Sicherungsverwahrung eines Sexualstraftäters (ua Vergewaltigung) aus den folgenden Erwägungen bestätigt.

    Auszug aus der Pressemitteilung:

    Bundesgerichtshof bestätigt nachträgliche Sicherungsverwahrung gegen einen Sexualstraftäter

    Der mittlerweile 43-jährige Verurteilte trat erstmals 1989 wegen eines Sexualverbrechens strafrechtlich in Erscheinung. Die Zeit von 1990 bis 2000 verbrachte er ­ auch aufgrund einer Verurteilung wegen mehrerer Vergewaltigungstaten ­ fast durchgehend in Haft. Am 17. November 2000 verurteilte ihn das Landgericht Potsdam unter anderem wegen erpresserischen Menschenraubs und Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren.
    Zugleich brachte es ihn wegen einer diagnostizierten Borderline-Persönlichkeitsstörung in einem psychiatrischen Krankenhaus unter. Die Unterbringung wurde schon im Jahr 2002 aufgehoben, weil ihre Voraussetzungen nicht (mehr) gegeben waren. Nach Verbüßung der verhängten Freiheitsstrafe hat das Landgericht Potsdam mit Urteil vom 28. Oktober 2010 die Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung nachträglich angeordnet.

    Der 5. (Leipziger) Strafsenat hat die gegen dieses Urteil gerichtete Revision des Verurteilten verworfen. Die im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 entwickelten Kriterien einer hochgradigen Gefährlichkeit in Bezug auf weitere schwerste Gewalt- oder Sexualstraftaten und einer psychischen Störung sind im vorliegenden Fall erfüllt. Von einer konkreten hochgradigen Gefährlichkeit hat sich das Landgericht mit Blick auf die außerordentlich hohe Rückfallgeschwindigkeit der früheren Taten sowie das massiv gewaltbereite und berechnende Auftreten des Verurteilten im Strafvollzug rechtsfehlerfrei überzeugt. Das Vorliegen einer psychischen Störung konnte der Bundesgerichtshof dem landgerichtlichen Urteil ­ auch wenn darin der Prüfungsmaßstab des Bundesverfassungsgerichts noch nicht unmittelbar hatte berücksichtigt werden können ­ wegen einer beim Verurteilten nach Begutachtung durch zwei psychiatrische Sachverständige festgestellten dissozialen Persönlichkeitsstörung mit paranoiden Zügen sicher entnehmen.

    Urteil vom 21. Juni 2011 ­ 5 StR 52/11


  • 3. Strafsenat des BGH, Az.: 3 StR 111/11

    Die Beschuldigte wandte sich mit ihrer Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH) gegen die vom Landgericht angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus.

    Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
    Die Beschuldigte befand sich zum Tatzeitpunkt in einem Behandlungstermin. Als sie Angst und Panik empfand, wurde sie „zunehmend angespannt und aufgeregt“. Kurz darauf hörte sie Stimmen, infolge dessen sie ein in ihrer Handtasche mitgeführte Messer mit einer Klingenlänge von 20 cm ergriff. Die Zeugin T. wich sofort zurück und betätigte den Alarmknopf. Einen Angriff mit dem Messer konnte die Zeugin T. abwehren. Ein wenig später konnte die Beschuldigte festgehalten und ihr das Messer abgenommen werden.  Weiter heißt es: „Während des Tatgeschehens war die Steuerungsfähigkeit der Beschuldigten wegen einer schizoaffektiven Psychose aufgehoben“.

    Im Prozess hat sich die Beschuldige dahingehend eingelassen, sie habe lediglich mit dem Messer zu drohen versucht, wollte aber nicht auf diese einstechen. Die Strafkammer folgte dem nicht und nahm einen schuldfähigen und mit natürlichem Vorsatz begangenen versuchten Totschlag an.

    Wie der Strafsenat des Bundesgerichtshofs in dem Beschluss ausführt, beruht die Annahme des Landgerichts, die Anlasstat sei ein mit natürlichem Vorsatz begangener versuchter Totschlag, auf einer rechtsfehlerhaften Beweiswürdigung.

    Auszug aus dem Wortlaut des Beschlusses:

    „Die Feststellung der Strafkammer, die Beschuldigte habe einen Stich in Richtung des Oberkörpers im Bereich des Herzens geführt, um Frau T. zu töten, beruht nicht auf einer tragfähigen Beweisgrundlage (vgl. dazu Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 261 Rn. 2 und § 337 Rn. 26, jeweils mwN). Sie steht im Widerspruch zu den Aussagen aller vernommenen Zeugen, von denen keiner eine Stichbewegung bekundet hat. Dies gilt auch für die Zeugin T. , die in ihrer Aussage lediglich einen Widerstand beschrieben hat, den sie beim Ergreifen des Handgelenks der Beschuldigten gespürt habe, nicht aber eine tatsächlich geführte Stichbewegung. Sie hat ihren subjektiven Eindruck wiedergegeben, dass ein Stich, wenn er tatsächlich geführt worden wäre, sie im Bereich des linken Arms getroffen hätte, mit dem sie ihren Oberkörper in der Herzgegend geschützt habe. Zu einem Stich ist es nach dieser Zeugenaussage wegen des Festhaltens der Hand nicht gekommen. Die Zeugin B. hat eine Stichbewegung in ihrer Vernehmung explizit ausgeschlossen, der Zeuge W. konnte sich an eine solche nicht erinnern.

    Weiterhin ist die Beweiswürdigung lückenhaft (vgl. dazu Meyer-Goßner, aaO, § 337 Rn. 27 mwN), weil sich das Landgericht nicht im Einzelnen mit der Möglichkeit befasst hat, dass die Beschuldigte die Zeugin T. lediglich bedrohen und nötigen, nicht aber töten wollte. Hierzu bestand indes nach der Einlassung der Beschuldigten und den Zeugenaussagen Anlass. Die Strafkammer hat den natürlichen Tötungsvorsatz allein aus der Angabe der Zeugin T. gefolgert, sie habe deutlich Widerstand gespürt, als sie das Handgelenk der Beschuldigten ergriffen habe. Bei dieser Beweissituation hätte sich das Landgericht näher mit der Möglichkeit auseinandersetzen müssen, dass die Beschuldigte die Geschädigte mit dem Messer nur bedrohen wollte und lediglich dem Festhalten ihres Handgelenks Widerstand entgegensetzte.“

    Aus diesem Grund hebt der Strafsenat die Anordnung auf. Ferner bedarf es einer neuen Verhandlung und Entscheidung.

    Im Übrigen weißt der Strafsenat für die neue Hauptverhandlung noch unter anderem auf folgendes hin:

    “Die akute schizoaffektive Psychose, die das Landgericht in Übereinstimmung mit dem Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen zum Tatzeitpunkt bejaht hat, könnte als krankhafte seelische Störung einzuordnen sein, welche die Fähigkeit der Beschuldigten ausgeschlossen hat, das Unrecht ihres Handelns einzusehen. Ohne weitere Erörterung ist bei dem festgestellten Krankheitsbild nicht nachvollziehbar, dass bei bestehender Unrechtseinsicht lediglich die Steuerungsfähigkeit aufgehoben gewesen sein soll (vgl. Nedopil, Forensische Psychiatrie 1996, 12.5.1.5 und 12.5.3.1).“

    Eine Entscheidung, mit der der BGH erneut eine lückenhafte (und einseitige) Beweiswürdigung beanstanden muss. Die Revision der Angeklagten war erfolgreich und das Urteil aufzuheben.


  • itBGH, Az. 2 ARs 120/11

    Im vorliegenden Fall ist der Angeklagte unter anderem wegen fahrlässiger Körperverletzung angeklagt. Die Sache war beim Amtsgericht Zerbst anhängig,  welches per Entschluss des Jugendrichters vom 15. Dezember 2010 die Sache an das Amtsgericht Tostedt abgegeben hatte. Wie der Bundesgerichtshof (BGH) feststellt, war Abgabe des Verfahrens unzulässig. Das Amtsgericht Zerbst ist weiterhin für die Untersuchung und Entscheidung zuständig.

    Auszug aus dem Wortlaut des Beschlusses:

    „Das Amtsgericht Zerbst hat gegen den heranwachsenden Angeklagten am 19. November 2010 einen Strafbefehl wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort nach Erwachsenenstrafrecht erlassen, gegen den der Angeklagte rechtzeitig Einspruch eingelegt hat. Durch Beschluss vom 15. Dezember 2010 hat das Amtsgericht Zerbst die Sache an das Amtsgericht Tostedt abgegeben, da der Angeklagte im dortigen Bezirk bereits am 1. November 2010 seinen Wohnsitz genommen hatte.

    Die Abgabe des Verfahrens war nicht zulässig. Im Strafbefehlsverfahren ist – worauf der Generalbundesanwalt zu Recht hinweist – eine Abgabe des Verfahrens nach § 42 Abs. 3 JGG oder eine Übertragung nach § 12 Abs. 2 StPO erst zulässig, wenn die auf rechtzeitigen Einspruch anberaumte Verhandlung begonnen hat (BGHSt 13, 186, 187; Senat, Beschluss vom 16. März 2011 – 2 ARs 41/11). Das Amtsgericht Zerbst ist daher weiterhin für die Untersuchung und Entscheidung der Sache zuständig.“

    Anders als bei Jugendlichen kann bei Heranwachsenden auch ohne Hauptverhandlung im schriftlichen Strafbefehlsverfahren entschieden werden. In diesem Fall hatte sich das Amtsgericht Zerbst zu früh versucht, sich des Verfahrens zu entledigen. Durch die zutreffende Entscheidung des BGH blieb dieser Versuch ein „untauglicher“ und das Amtsgericht Zerbst an dem Verfahren „hängen“.


  • Das Landgericht Verden verhandelt den 24 Jahre zurückliegenden Mord an einem Mädchen. Der damals 19-Jährige Angeklagte habe seine Bekannte nach einem Disco-Besuch in Bremervörde im Kreis Rotenburg gefesselt, geknebelt und mit mehr als 60 Messerstichen heimtückisch umgebracht, so die Staatsanwaltschaft in ihrem Plädoyer. Zudem hätten besonders niedriger Beweggründe vorgelegen. Die Staatsanwaltschaft forderte eine Jugendstrafe von sieben Jahren.
    Der Angeklagte musste sich bereits zum zweiten Mal wegen dieses Falls verantworten. Zunächst hatte ihn das Landgericht Stade aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Dieses Urteil wurde vom Bundesgerichtshof jedoch aufgehoben.
    ( Quelle: Hamburger Abendblatt – online vom 20.05.2011 )


  • Der Bundesgerichtshof hob das Urteil gegen den früheren CDU-Kreisvorsitzenden Richard B. auf. Das Landgericht Köln hatte ihn wegen Untreue, Betrug und Beihilfe zur Steuerhinterziehung im Rahmen einer Parteispendenaffäre zu einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt, welche zur Bewährung ausgesetzt wurde.

    Nach Ansicht des Landgerichts Köln hatte B. im Jahre 1999 dafür gesorgt, dass 33.000 Euro unbekannter Herkunft an den CDU-Kreisverband gezahlt wurden. Dagegen legte die Verteidigung Revision ein. Die Revision war erfolgreich und der Bundesgerichtshof entschied, dass das Urteil die Verurteilung Blömers wegen Untreue nicht tragen würde. Dies wurde damit begründet, dass die Pflichten aus dem Parteigesetz keinen das Parteivermögen schützenden Charakter habe. Daher komme keine strafbare Untreue in Betracht.

    Nun wurde die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Köln zurückverwiesen.

    ( Quelle: Bundesgerichtshof, Az.: 1 StR 94/10 )


  • Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs (BGH), Nr. 101/2011 vom 08.06.2011

    Im vorliegenden Fall befasste sich der Bundesgerichtshof mit der Frage, welche Ansprüche der Anbieter bei einem vorzeitigen Abbruch einer eBay-Auktion besitzt. Hierbei verweist der Senat auch auf die AGBs der Plattform.

    Pressemitteilung:

    BGH zum vorzeitigen Abbruch einer eBay-Auktion

    Der Bundesgerichtshof hat heute über das Recht des Anbieters zur vorzeitigen Beendigung einer eBay-Auktion entschieden.

    Der Beklagte stellte am 23. August 2009 eine gebrauchte Digitalkamera nebst Zubehör bei eBay für sieben Tage zur Auktion ein. Am folgenden Tag beendete er das Angebot vorzeitig. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger mit einem Gebot von 70,00 € der Höchstbietende. Er fordert vom Beklagten Schadensersatz in Höhe der Differenz zwischen seinem Gebot und dem von ihm behaupteten Verkehrswert der Kamera nebst Zubehör. Der Beklagte beruft sich darauf, die Kamera sei ihm am Nachmittag des 24. August 2009 gestohlen worden.

    In § 10 Abs. 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay in der für die vorliegende Auktion maßgeblichen Fassung heißt es unter anderem:

    „Bei Ablauf der Auktion oder bei vorzeitiger Beendigung des Angebots durch den Anbieter kommt zwischen Anbieter und Höchstbietendem ein Vertrag über den Erwerb des Artikels zustande, es sei denn der Anbieter war gesetzlich dazu berechtigt, das Angebot zurückzunehmen und die vorliegenden Gebote zu streichen.“

    Ergänzend wird in den auf der Website von eBay zugänglichen Hinweisen zum Auktionsablauf als Grund für eine vorzeitige Angebotsbeendigung unter anderem der Verlust des angebotenen Artikels genannt.

    Das Amtsgericht hat die auf Zahlung von 1.142,96 € nebst Zinsen und Erstattung vorprozessualer Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage abgewiesen.
    Das Landgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

    Die dagegen gerichtete Revision des Klägers hatte keinen Erfolg. Im Revisionsverfahren war nicht mehr im Streit, dass dem Kläger die Kamera tatsächlich gestohlen worden war. Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass eine Berechtigung zur Angebotsrücknahme nach § 10 Abs. 1 Satz 5 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay auch im Fall eines Diebstahls des angebotenen Artikels besteht. Die in dieser Bestimmung enthaltene Bezugnahme auf eine „gesetzliche“ Berechtigung zur Angebotsbeendigung ist nicht im Sinne einer Verweisung nur auf die gesetzlichen Bestimmungen über die Anfechtung von Willenserklärungen zu verstehen. Denn in den allen Auktionsteilnehmern zugänglichen Hinweisen zum Auktionsablauf wird auch der Verlust des Verkaufsgegenstandes als rechtfertigender Grund für eine vorzeitige Angebotsbeendigung genannt. Darunter fällt auch der Diebstahl.
    Hierdurch ist für alle Auktionsteilnehmer ersichtlich, dass der Verkäufer nach den für die Auktion maßgeblichen „Spielregeln“ berechtigt ist, auch im Falle des Abhandenkommens durch Diebstahl sein Angebot vorzeitig zu beenden.

    Urteil vom 8. Juni 2011 – VIII ZR 305/10

    AG Bad Hersfeld – Urteil vom 26. April 2010 – 10 C 162/10

    LG Fulda – Urteil vom 12. November 2010 – 1 S 82/10

    Karlsruhe, den 8. Juni 2011


  • Quelle:  Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs (BGH), Nr. 098/2011 vom 07.06.2011

    Der BGH erklärt die Verurteilung der drei Angeklagten in dem so genannten „Rüsselheimer Eiscafé-Mord“ Fall für rechtskräftig. Insbesondere würden die niedrigen Beweggründe der Tat als Mordmerkmal nach Auffassung des Strafsenats vorliegen.

    Pressemitteilung:

    Verurteilungen im Rüsselsheimer Eiscafé-Mordprozess  sind rechtskräftig

    Das Landgericht Darmstadt hat den Angeklagten Taylan K. wegen Mordes in Tateinheit mit unerlaubtem Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe und Beteiligung an einer Schlägerei zu lebenslanger Freiheitsstrafe, die Angeklagten Erdal E. und Serdal E. wegen versuchten Mordes, jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Beteiligung an einer Schlägerei, zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt.

    Nach den Feststellungen des Landgerichts bestanden zwischen Angehörigen der Familien K. und E., die in der Türsteherszene tätig waren, seit einiger Zeit zunehmend Spannungen; diese waren in der Vergangenheit bereits Anlass für gewalttätige Auseinandersetzungen und einen erfolglosen Schlichtungsversuch durch die Familienältesten gewesen. Am 12. August 2008 kam es zu einer „Aussprache“ zwischen den verfeindeten Lagern in einer Eisdiele in Rüsselsheim, zu der für die Familie K. der Angeklagte Taylan K., sein Cousin Erkan K. sowie Baris Y. erschienen; sie hatten sich mit Pistolen bewaffnet. Für die Familie E. erschienen die angeklagten Brüder Erdal und Serdal E. sowie ihr Bruder Deniz E.; diese führten Messer, Pfefferspray und einen Schlagring bei sich. Beide Parteien rechneten mit einer notfalls gewaltsamen Auseinandersetzung unter Einsatz der mitgeführten Waffen und sonstigen Gegenstände.

    Nach kurzer Diskussion gerieten die beiden Gruppen in heftigen Streit, woraus sich eine Schlägerei entwickelte. Als Erdal E. ein Messer zog, schoss Erkan K. in Tötungsabsicht mehrfach auf ihn und verletzte ihn schwer. Der Angeklagte Serdal E. flüchtete daraufhin zunächst aus der Eisdiele. Auch sein Bruder Deniz E. versuchte zu fliehen, wurde aber von dem Angeklagten Taylan K. und Erkan K. durch mehrere Schüsse getroffen und getötet. Durch den fehlgehenden Schuss wurde eine unbeteiligte Besucherin des Eisacafés tödlich verletzt.

    Der Angeklagte Erdal E. griff nun trotz seiner schweren Schussverletzungen den Erkan K. erneut mit dem Messer an, um ihn zu töten. Um seinem Cousin zu helfen, schoss der Angeklagte Taylan K. auf Erdal E., traf aber versehentlich seinen Cousin in die Brust. Der Angeklagte Erdal E. stach in der Folge dem tödlich getroffenen, auf dem Bauch liegenden Erkan K. vielfach sein Messer in den Rücken, um ihn zu töten und den Tod seines Bruders Deniz zu rächen. Inzwischen war auch der Angeklagte Serdal E.  an den Tatort zurückgekehrt. Auch er stach dem sterbenden Erkan E. nun sein Messer mehrfach in den Rücken sowie in den Hinterkopf. Erkan K. verstarb kurze Zeit später. Sowohl die Schussverletzung durch seinen Cousin Taylan K. als auch die Messerstiche durch Erdal E. und Serdal E. waren jeweils für sich tödlich. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Stichverletzungen den Tod des Erkan K. beschleunigten.

    Das Landgericht hat den Angeklagten Taylan K. wegen eines vollendeten, die Angeklagten Erdal und Serdal E. wegen eines versuchten Tötungsdelikts verurteilt. Hinsichtlich aller drei Angeklagten hat es das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe festgestellt, da sie handelten, um ihren sozialen Geltungsanspruch im Milieu um jeden Preis zu behaupten, die Angeklagten Erdal und Serdal E. zusätzlich aus Wut und Rache.

    Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat die Annahme niedriger Beweggründe nicht beanstandet und die Revisionen der Angeklagten verworfen, da die Nachprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat. Die Verurteilungen sind damit rechtskräftig.

    Beschluss vom 18. Mai 2011 – 2 StR 601/10

    Landgericht Darmstadt – Urteil vom 31. März 2010 – 11 Ks 431 Js 39.382/08

    Karlsruhe, den 7. Juni 2011


  • Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs (BGH), Nr. 97/2011 vom 7.6.2011

    Im Zentrum der Entscheidung über die Zulässigkeit einer AGB Klausel bezüglich der monatlichen Gebühr stand die so genannte AGB-Inhaltskontrolle nach § 307 I BGB über eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners.

    Pressemitteilung:

    Klausel über die Zahlung einer monatlichen Gebühr für die Führung des Darlehenskontos durch die Bank ist unwirksam

    Der u. a. für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Klausel über die Zahlung einer monatlichen Gebühr für die Führung des Darlehenskontos in Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Bank unwirksam ist.

    Der Kläger des zugrunde liegenden Verfahrens ist ein Verbraucherschutzverband, der als qualifizierte Einrichtung gemäß § 4 UKlaG eingetragen ist. Die Beklagte ist eine Bank.

    Die Beklagte verwendet gegenüber ihren Kunden in ihren Allgemeinen Bedingungen für Darlehensverträge eine Klausel, durch welche sie sich beim Abschluss von Darlehensverträgen die Bezahlung einer monatlichen Gebühr für die Führung des Darlehenskontos versprechen lässt.

    Der Kläger ist der Ansicht, diese Klausel sei wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 BGB* unwirksam. Er nimmt die Beklagte darauf in Anspruch, die Verwendung der Klausel gegenüber Privatkunden zu unterlassen bzw. sich bei der Abwicklung bestehender Verträge mit Privatkunden nicht hierauf zu berufen. Zur Begründung führt er unter anderem an, die Beklagte erbringe für die vereinnahmte Kontoführungsgebühr keine Sonderleistung, sondern genüge mit der Führung des Darlehenskontos lediglich ihrer Rechnungslegungspflicht, die eingehenden Darlehensraten ordnungsgemäß zu verbuchen und den Kunden darüber zu informieren. Diese Leistung schulde sie bereits aufgrund gesetzlicher oder vertraglicher Pflichten, weshalb sie hierfür kein Entgelt verlangen könne.

    Der XI. Zivilsenat hat der Unterlassungsklage, die in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben war, auf die Revision des Klägers stattgegeben. Zur Begründung hat er ausgeführt, die angegriffene Klausel halte der gerichtlichen Inhaltskontrolle nicht stand:

    Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts handele es sich bei der streitigen Gebührenklausel nicht um eine nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB* der Inhaltskontrolle von vornherein entzogene Preisklausel. Eine solche liege nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nur vor, wenn die betreffende Gebühr den Preis für eine vom Klauselverwender angebotene vertragliche Leistung festlege. Davon könne hier jedoch keine Rede sein. Die Kontoführungsgebühr diene nicht der Abgeltung einer vertraglichen Gegenleistung oder einer zusätzlichen Sonderleistung der Bank. Diese führe das Darlehenskonto vielmehr ausschließlich zu eigenen buchhalterischen bzw. Abrechnungszwecken. Der Bankkunde hingegen, der seine regelmäßigen Zahlungspflichten üblicherweise dem Kreditvertrag oder einem eigenständigen Zins- und Tilgungsplan entnehmen könne, sei auf die Führung eines gesonderten Darlehenskontos durch das Kreditinstitut im Regelfall nicht angewiesen. Etwas anderes folge vorliegend auch nicht daraus, dass die Beklagte ihren Kunden am Ende eines Kalenderjahres eine Zins- und Saldenbestätigung zur Vorlage bei der Finanzverwaltung erteile. Hiermit lasse sich die angegriffene Gebühr allein schon deshalb nicht rechtfertigen, weil die Beklagte nach dem eindeutigen Wortlaut der streitigen Klausel das Entgelt nicht für die Erteilung der Jahresbescheinigung, sondern ausdrücklich zur Abgeltung der Kontoführung erhebe.

    Der hiernach eröffneten Inhaltskontrolle halte die Klausel nicht stand. Klauseln, die es einem Kreditinstitut ermöglichen, Entgelte für Tätigkeiten zu erheben, die es – wie hier – im eigenen Interesse erbringt, halten nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB* nicht stand, weil sie mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der sie abweichen, nicht vereinbar sind und die Kunden entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Soweit in einzelnen Vorschriften des Preisordnungsrechts auch die Behandlung von Kontoführungsgebühren geregelt wird, folgt hieraus nichts anderes. Denn diese Vorschriften betreffen allein die formelle Art und Weise der Preisangabe im Verkehr, nicht aber die materielle Zulässigkeit einzelner Preisbestandteile.

    Urteil vom 7. Juni 2011 – XI ZR 388/10

    LG Ravensburg – Urteil vom 25. März 2010 – 2 O 117/09

    OLG Stuttgart – Urteil vom 21. Oktober 2010 – 2 U 30/10 (ZIP 2011, 462)

    Karlsruhe, den 7. Juni 2011

    * § 307 BGB

    Inhaltskontrolle

    (1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

    (2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

    1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder

    2. wesentliche Rechte und Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

    (3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

     


Folgen Sie uns!
Die Kanzlei

Anwaltskanzlei für Strafrecht in Hamburg, Frankfurt und Neumünster: Strafrecht und Wirtschaftsstrafrecht, Strafverteidigung

  • Kanzlei mit Strafrecht-Spezialisierung
  • Strafrecht und Wirtschaftsstrafrecht
  • Rechtsanwalt und Strafverteidiger
  • Fachanwalt für Strafrecht
  • Strafverteidigung bundesweit

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner

In dringenden Fällen erreichen Sie unsere Anwaltskanzlei zu jeder Tag- und Nachtzeit. Notfallkontakt