Freispruch

  • Sieben Jahre saß Gustl Mollath zwangsweise in der Psychiatrie. Er hatte seiner Frau und ihrem Arbeitgeber, eine Bank, Schwarzgeldgeschäfte vorgeworfen. Unter anderem soll er daraufhin auch Autoreifen zerstochen und Personen körperlich angegriffen haben. Am Ende wurden die Theorien von Mollath vom Landgericht als Hirngespinste abgetan und der heute 56-Jährige in eine psychiatrische Unterbringung eingewiesen. Später stellte sich heraus, dass die Vorwürfe Mollaths zum Teil der Wahrheit entsprachen.

  • Die Anklage gegen einen Postzusteller umfasste eine Menge Straftatbestände. Die Staatsanwaltschaft warf ihm Verletzung von Postgeheimnissen (§ 206 StGB), Unterschlagung (§ 246 StGB), Diebstahl (§ 242 StGB) und Betrug (§ 263 StGB) in insgesamt acht Fällen vor. Unter anderem soll der Vertretungspostzusteller Pakete geöffnet, ihre Inhalte ausgetauscht und die Ware dann unterschlagen haben.

  • Im Sexualstrafrecht sind die Grenzen zwischen straffreiem Verhalten und sexueller Nötigung fließend. Dabei ist nicht nur die Altersgrenze im Sexualstrafrecht ein häufiges Problem, sondern auch die Abgrenzung zum erlaubten „flirten“.
    Der Angeklagte und die Zeugin hatten sich einige Wochen zuvor als Paar getrennt. Bei einem späteren Treffen in der Wohnung des Angeklagten soll es dann zur sexuellen Nötigung gekommen sein.

  • Für die Bestrafung eines Angeklagten ist im Strafrecht häufig eine mögliche Verjährung der Tat von Bedeutung. Die Frage, ob eine mögliche Verfolgungsverjährung eingetreten ist oder nicht, stellt meist eine komplizierte Rechtsfrage dar, die nur ein Strafverteidiger umfassend beantworten kann. Anschließend kann es mitunter erforderlich werden, die Rechtslage (hier die Verjährung eines Totschlags) zu verteidigen und Uneinigkeiten zwischen Anwalt, Staatsanwaltschaft und dem Gericht zu beseitigen:

    Aktuell hatte sich der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Revisionsverfahren mit der strafrechtlichen Verjährung eines Totschlags zu beschäftigen.

  • Die Verjährungsunterbrechung wirkt nur gegenüber demjenigen, auf den sich die Unterbrechungshandlung bezieht.

    Gegen den Angeklagten wurde ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Mordes geführt. Dieses wurde im Jahr 1987 mangels hinreichenden Tatverdachts von der Staatsanwaltschaft eingestellt. Dieses wurde ab diesem Zeitpunkt gegen Unbekannt weitergeführt und erst im Jahr 2008 wieder konkret gegen den Angeklagten aufgenommen. Auf die Spur des Angeklagten kamen die Ermittler erneut, nachdem ein Richter ein molekulargenetisches Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben hatte.

  • Sagt der Haupttäter aus, dass er sich spontan zu einem Mord entschlossen habe, so spricht dies erst einmal gegen eine Anstiftung durch einen Dritten.

    Der Angeklagte hatte mit der später Getöteten eine mehrwöchige sexuelle Beziehung. Bei einem Treffen mit zwei Mitangeklagten in seiner Wohnung äußerte der Angeklagte, dass es „Probleme mit dem Mädchen“ gebe. Später unternahmen die beiden Mitangeklagten und die Geschädigte, aber ohne den Angeklagten, eine Fahrt in die Niederlande. Als sie eine Pause einlegten, entschloss sich einer der Mitangeklagten spontan dazu, die junge Frau zu töten. Später berichteten die Mitangeklagten dem Angeklagten von dem Tod und den Umständen der Tat. Keiner von den Dreien ging zur Polizei.

  • Verfahrensfremde Untersuchungshaft ist auch dann anzurechnen, wenn auch nur potentielle Gesamtstrafenfähigkeit besteht.

    Der Angeklagte befand sich aufgrund des aktuellen Verfahrens seit dem 01.01.2012 in Untersuchungshaft. Der Angeklagte saß bereits zwischen dem 09.06.2008 und 11.12.2008 und dem 29.07.2009 und 11.09.2009 ebenfalls wegen gemeinschaftlichen Wohnungseinbruchsdiebstahls in Untersuchungshaft. Von diesen zwei Taten wurde der Angeklagte jedoch rechtskräftig freigesprochen.

    Die Strafverteidigung wehrt sich nun vor dem Oberlandesgericht Naumburg (OLG Naumburg) gegen die Fortdauer der Untersuchungshaft. Denn dem Angeklagten drohe lediglich eine Freiheitsstrafe von einem Jahr, dabei befindet er sich, unter hinzuziehen der beiden anderen Untersuchungshaftzeiträumen, bereits seit 16 Monaten in Untersuchungshaft.

    Das OLG Naumburg hält die Beschwerde der Strafverteidigung für berechtigt. Denn wäre der Angeklagte nicht freigesprochen worden, dann hätte man nun eine Gesamtstrafe gebildet, auf der die Untersuchungshaft anzurechnen gewesen sein wäre.

    „Wäre der Angeklagte für jene Taten verurteilt worden, wäre aus den dann verhängten Strafen und derjenigen, die vom Amtsgericht Magdeburg ausgesprochen und vom Landgericht Magdeburg mit Urteil vom 12. September 2012 bestätigt wurde, eine Gesamtstrafe zu bilden gewesen (§§ 55 Abs. 1 StGB, 460 StPO). Die im Fall der rechtskräftigen Verurteilung von der Staatsanwaltschaft im Vollstreckungsverfahren vorzunehmenden Anrechnung muss sich daher auch auf die in den Jahren 2008 und 2009 erlittene Untersuchungshaft erstrecken.“

    Da die Untersuchungshaft mit 16 Monaten die zu erwartende Freiheitsstrafe von einem Jahr übersteigt, hebt das OLG Naumburg den Haftbefehl auf.

    OLG Naumburg, Beschluss vom 11. Oktober 2012, Az.: 2 Ws 198/11


  • Im Berufungsprozess vor dem Landgericht Aurich ging es um einen schweren sexuellen Missbrauch an einer widerstandsunfähigen Person in der Kaserne in Leer. Ein 26-jähriger, ehemaliger Soldat soll eine Soldatin sexuell missbraucht haben. Die Zeugin sagte aus, dass sie nach einer Feier betrunken eingeschlafen sei. Als sie wieder aufwachte, spürte sie Schmerzen im Unterleib und sah den Angeklagten, wie er sie im Intimbereich berührte. Die Soldatin soll einem weiteren Kameraden später per SMS mitgeteilt haben, dass der jetzige Angeklagte sie vergewaltigt hätte.

    Die gynäkologische Untersuchung stellte Blutspuren und eine Verletzung im Genitalbereich fest. Spermaspuren wurden nicht gefunden. Unter den Fingernägeln des Angeklagten fand sich DNA der Soldatin. Die Gerichtsmedizin geht von einem maximalen Blutalkoholgehalt von 1,5 Promille beim Angeklagten und 0,5 Promille bei dem mutmaßlichen Opfer aus.

    Die Strafverteidigung ging dagegen von einvernehmlichen sexuellen Handlungen aus. Da der Angeklagte jedoch in einer Beziehung sei, erkannte dieser später, er würde diese aufs Spiel setzten, wenn er weiter machen würde. Daraufhin brach er sein Handeln und den sexuellen Kontakt ab und kleidete die Soldatin wieder an. Vor allem dieses Verhalten spreche, so die Verteidigung, gegen eine Vergewaltig, da er mit dem Ankleiden das Aufwecken der Frau riskierte. Daher forderte die Strafverteidigung auch einen Freispruch.

    Die Staatsanwaltschaft sah dagegen den schweren sexuellen Missbrauch an einer widerstandsunfähigen Person als gegeben an und forderte zwei Jahre und zehn Monate Freiheitsstrafe. Die Anwältin der Nebenklägerin forderte eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren. Das Gericht stellte dagegen fest, dass die Schilderungen aller Beteiligten sehr weit auseinander gehen würden. Eine Gewissheit was genau in der Tatnacht geschah, konnte das Gericht nicht aufklären. Aus diesem Grund war der Angeklagte nach dem „In dubio pro reo“-Grundsatz freizusprechen.


    Autor des Beitrags ist Rechtsanwalt für Strafrecht & Strafverteidiger Dr. Böttner, Anwaltskanzlei aus Hamburg und Neumünster. Weitere Gerichtsentscheidungen und allgemeine Informationen zum Strafrecht und der Strafverteidigung finden Sie auf der Kanzlei-Homepage.

  • Das Landgericht Verden hat rechtsfehlerfrei die Tat gewürdigt.

    Einem Angeklagten wurde vorgeworfen, am 23. August 1987 eine 16-Jährige ermordet zu haben. Nach einem ersten Freispruch vor dem Landgericht Stade hob der Bundesgerichtshof (BGH) das Urteil nach Revision der Staatsanwaltschaft auf und verwies die Sache an das Landgericht Verden. Aber auch das Landgericht Verden kam zur Überzeugung, dass der Angeklagte nicht der Täter sei, und sprach ihn ebenfalls frei. Die Staatsanwaltschaft legte gegen dieses Urteil erneut Revision ein.

    Der Angeklagte räumte ein, dass er in seinem Fahrzeug mit dem Opfer Sex gehabt hätte. Anschließend fuhr er jedoch zurück zu einer Diskothek und verbrachte ab 1:45 Uhr die restliche Nacht mit einer anderen Frau. Das spätere Opfer wurde von Zeugen noch um 2:00 Uhr und 2:30 Uhr lebend gesehen. Am nächsten Morgen wurde sie erstochen aufgefunden.

    Der Freispruch des Landgerichts stützt sich vor allem auf das Alibi des Angeklagten. Die gefundenen DNA-Spuren am Fesselmaterial könnten durch eine Sekundärübertragung verursacht worden sein. Auch sonstige Spuren können den Angeklagten der Tat nicht überführen. Das Landgericht ging daher davon aus, dass ein bislang unbekannter Täter die Frau getötet habe.
    Der BGH stellt zum Beginn seines Urteils klar, dass das Revisionsgericht nur auf Rechtsfehler prüft. Die Beweiswürdigung unterliegt dagegen alleine dem Tatrichter. Das Landgericht hat sich nach Auffassung des BGH ausführlich und rechtsfehlerfrei mit den Aussagen der Zeugen beschäftigt. Deswegen sei solch ein Rechtsfehler nicht zu erkennen.

    Die Staatsanwaltschaft hat Recht, wenn sie kritisiert, dass das Landgericht den „in dubio pro reo“-Grundsatz auf jedes Beweismittel einzeln angewendet habe. Der Grundsatz sei nämlich erst am Ende bei der Gesamtwürdigung der Tat zu berücksichtigen. Jedoch hätte das Landgericht vorbildlich am Ende alle be- und entlastende Umstände dargestellt, so dass es darauf nicht ankäme. Auch bezüglicher der DNA-Spuren hat das Landgericht mehrere Sachverständige gehört. Ebenfalls berücksichtigte das Landgericht zutreffend, dass zur damaligen Zeit noch keine Sicherheitsmaßnahmen zur Vermeidung von Sekundärübertragungen getroffen wurden.

    „Die vom Landgericht mit Blick auf diese Umstände gezogenen Schlüsse sind möglich; darauf, ob sie naheliegend oder gar sicher sind, kommt es für die revisionsrechtliche Beurteilung nicht an.“

    Auch bei weiteren Umständen, wie teilweise fehlerhafte Ortsangaben des Angeklagten und weitere mögliche Tatalternativen hat das Landgericht, nach Meinung des BGH, nachvollziehbar argumentiert. Insgesamt hält der BGH die Beweiswürdigung des Landgerichts für rechtsfehlerfrei. Auch hätte die Strafkammer nicht ein überzogenes Maß für die richterliche Überzeugung angelegt:

    „Die Urteilsgründe geben keinen begründeten Anlass zu der Besorgnis, das Landgericht habe zu hohe Anforderungen an die für eine Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt. Die Beweiswürdigung lässt vielmehr insgesamt deutlich erkennen, dass die Strafkammer sich des Maßes der für eine Verurteilung notwendigen richterlichen Überzeugung bewusst war.“

    Somit gibt es keine Bedenken an dem Freispruch des Landgerichts. Deswegen hatte die Revision der Staatsanwaltschaft keinen Erfolg.

    BGH, Urteil vom 16. August 2012, Az.: 3 StR 180/12


  • Ein Banner bei einem Fußballspiel mit „A.C.A.B.“ kann grundsätzlich eine Beleidigung der anwesenden Polizisten sein.

    Ein Fußballfan hielt im Fanblock des Zweitligisten Karlsruher SC ein großes Banner mit der Abkürzung „A.C.A.B.“ hoch. Die Abkürzung steht für „all cops are bastards“. Das Landgericht Karlsruhe hatte den Angeklagten vom Vorwurf der Beleidigung freigesprochen.
    Das Oberlandesgericht Karlsruhe vermisste dagegen eine geschlossene Darstellung der Tatsachen zur objektiven und subjektiven Tatseite und hob den Freispruch auf. Zusätzlich wies das Oberlandesgericht darauf hin, dass für die neue Hauptverhandlung vor allem die Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 GG beachtet werden müsste. Erlaubt das Banner mehrere Auslegungen, so sei diejenige Auslegung anzunehmen, die von der Meinungsfreiheit gedeckt sei.

    Vor allem muss das Landgericht sich mit der Frage beschäftigen, ob das Banner lediglich ein nicht beleidigungsfähiges unüberschaubares Kollektiv, das die Polizei grundsätzlich ist, anspricht, oder ob eine beleidigungsfähige abgrenzbare Gruppe der Polizei, zum Beispiel die Beamten vor Ort, gemeint ist.

    Grundsätzlich gesteht das OLG Karlsruhe der Abkürzung A.C.A.B. jedoch beleidigenden Charakter zu. Denn die Bezeichnung als „Bastard“ legt einen beleidigenden Charakter im Sinne des § 185 StGB nahe. Auch müsse berücksichtigt werden, dass die Bezeichnung als „Bastard“ nicht als Kritik am Polizeieinsatz gesehen werden könne, da kein Bezug zur polizeilichen Tätigkeit bestünde. Daher liegt der Fall anders, als wenn Polizisten bei einer Verkehrskontrolle als „Wegelagerer“ bezeichnet werden.

    OLG Karlsruhe, Urteil vom 19. Juli 2012, Az.: 1 (8) Ss 64/12- AK 40/12


Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner

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