Gericht

  • Quelle: Pressemitteilung des Strafsenats des BGH Nr. 023/2012 vom 09.02.2012

    Das passiert auch nicht alle Tage: Der 2. Strafsenat entscheidet trotz seiner Bedenken hinsichtlich der Besetzung  und verwirft die Revision der Staatsanwaltschaft aus den folgenden Gründen.

    Pressemitteilung:

    Spruchgruppe des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs entscheidet in der Sache trotz
    fortbestehender Bedenken gegen seine ordnungsgemäße Besetzung

    Der 2. Strafsenat hat in einer Strafsache, in der er am 11. Januar 2012 die Hauptverhandlung wegen Bedenken an der Ordnungsgemäßheit seiner Besetzung ausgesetzt hatte, am 8. Februar 2012 erneut verhandelt. Er hat nunmehr in der Sache entschieden und die von der Staatsanwaltschaft eingelegte Revision verworfen.  

    Der Entscheidung ging folgendes voraus: Durch Beschluss vom 11. Januar 2012 hatte der Senat zunächst die Revisionshauptverhandlung ausgesetzt, um die Sache dem Präsidium des Bundesgerichtshofs vorzulegen. Grund war, dass nach Ansicht der zur Entscheidung berufenen Spruchgruppe der Senat nicht ordnungsgemäß besetzt ist, weil der ihm durch den Jahresgeschäftsverteilungsplan zugewiesene Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann zugleich den Vorsitz im    4. Strafsenat führt (siehe PM 4/12 vom 13.1.2012).  

    Veranlasst durch diesen Beschluss hat das Präsidium des Bundesgerichtshofs am 18. Januar 2012 einstimmig beschlossen, dass an dem Beschluss vom                  15. Dezember 2011, mit dem VRIBGH Dr. Ernemann der Vorsitz des 2. und zugleich des 4. Strafsenats übertragen worden ist, festgehalten werde.  

    Die Spruchgruppe des Senats hat es nunmehr – unter Aufrechterhaltung ihrer Rechtsauffassung – mit Blick auf das rechtsstaatliche Beschleunigungsgebot sowie das verfassungsrechtliche Gebot der Rechtsschutzgewährung für geboten erachtet, in der Sache zu entscheiden.  

    Ebenfalls am 8. Februar 2012 hat der 2. Strafsenat in derselben Spruchgruppe Beschlüsse nach § 349 Abs. 2 und 4 StPO gefasst, mithin Sachentscheidungen getroffen, die nach der Strafprozessordnung nur einstimmig herbeigeführt werden können.  

    Die Rechtsprechung im 2. Strafsenat ist damit wieder von allen Spruchgruppen aufgenommen worden.

    Urteil vom 8. Februar 2012 – 2 StR 346/11

    Landgericht Gera – Urteil vom 4. April 2011 – 450 Js 2586/10 2 KLs jug  

    Karlsruhe, den 9. Februar 2012


  • Das Amtsgericht Bielefeld hat den Angeklagten wegen Beleidigung in vier Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Verleumdung, zu einer Gesamtgeldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 30,- € verurteilt. Der Beschwerdeführer war dem Angeklagten als Pflichtverteidiger zugeordnet worden.

  • Gute Nachricht für „Hamburg bekanntesten Sprayer“. Der angeklagte Walter Josef F. sprüht seit über 10 Jahren sein Logo „OZ“ in Hamburg an allen möglichen Wänden und Gegenständen und musste sich schon mehrfach vor dem Gericht wegen Sachbeschädigung Verantworten.

    Auch am gestrigen Freitag stand der 61-jährige Angeklagte vor dem Landgericht Hamburg und war wegen Sachbeschädigung in zehn Fällen angeklagt. Doch er kann jetzt aufatmen. Das Gericht berücksichtigte strafmildernd, dass einige der vorgeworfenen Taten bereits vier Jahre zurückliegen, und verurteile den Sprayer zu einer Geldstrafe von 1.500 Euro. Zudem erklärten die Richter, dass eine Haft den notorischen Sprayer nicht vor weiteren Taten abhalten würde.

    Die Staatsanwaltschaft hatte hingegen eine Haftstrafe von bis zu 18 Monaten gefordert. Sowohl Staatsanwaltschaft als auch die Verteidigung gingen in Berufung.

    ( Quelle: Hamburger Abendblatt, 3.02.2012 )


  • BGH, Urteil vom 30.06.2011, Az.: 3 StR 39/11

    Das Landgericht Düsseldorf hat den Angeklagten wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten.
    Im Prozess gestand der Angeklagte die Tat. Anschließend kam es zu einer Unterbrechung der Sitzung und einer Verständigung bezüglich der Mitangeklagten. Der Strafverteidigung des Angeklagten wurde in Anwesenheit aller Beteiligten nach Feststellungen des BGH zugesichert, dass dieser „sowieso Bewährung“ bekäme. Erst in der Urteilsverkündung wurde klar, dass der Angeklagte einer unbedingt Freiheitsstrafe erhalten solle.
    Nach Ansicht des BGH hält die Entscheidung die Freiheitsstrafe nicht zur Bewährung auszusetzen rechtlicher Überprüfung nicht stand.

    Aus dem Urteil:

    „Vor diesem Hintergrund macht die Revision mit Recht geltend, dass das Landgericht den Angeklagten nicht zu einer Strafe ohne Strafaussetzung zur Bewährung hätte verurteilen dürfen, ohne diesen zuvor davon zu unterrichten, dass es entgegen der Ankündigung des Vorsitzenden beabsichtige, eine solche Strafe zu verhängen.
    Allerdings begründet nicht jede Äußerung des Gerichts oder eines seiner Mitglieder, die im Laufe des Strafverfahrens abgegeben wird, ein berechtigtes Vertrauen des Angeklagten oder eines anderen Verfahrensbeteiligten dahin, dass von der darin zutage getretenen Einschätzung einer materiell- oder verfahrensrechtlich relevanten Frage nicht abgewichen wird, solange kein entsprechender Hinweis erteilt worden ist. Äußert sich etwa der Vorsitzende eines Spruchkörpers in einem Gespräch, das er im Lauf des Zwischenverfahrens mit dem Verteidiger des Angeklagten führt, zu einem denkbaren Ergebnis der Hauptverhandlung, so ist für den Angeklagten und seinen Verteidiger unschwer erkennbar, dass es sich hierbei um eine vorläufige, mit den übrigen Mitgliedern des Spruchkörpers nicht abgestimmte Beurteilung handelt, der schon für sich keinerlei Festlegung zukommt und der durch den Gang der Hauptverhandlung ohne weiteres die Grundlage entzogen werden kann. Ein Hinweis darauf, dass an der ursprünglichen Bewertung nicht mehr festgehalten wird, ist daher nicht erforderlich.
    Anders liegt es hingegen dann, wenn die Äußerung geeignet ist oder gar darauf abzielt, die Verfahrensführung oder das Verteidigungsverhalten des Angeklagten zu beeinflussen. Dies gilt insbesondere dann, wenn sie bei fortgeschrittener Hauptverhandlung auf der Grundlage eines bereits weitgehend gesicherten Beweisergebnisses in (scheinbarer) Abstimmung mit den weiteren Gerichtspersonen abgegeben wird. Hier bedarf es in der Regel eines vorherigen Hinweises, wenn von dem Inhalt der Äußerung abgewichen werden soll.
    Eine solche, dem Rechtsgedanken des § 265 StPO folgende, der prozessualen Fürsorgepflicht und Verfahrensfairness entsprechende Verpflichtung ist etwa im Bereich des Beweisantragsrechts anerkannt. Hat beispielsweise der Vorsitzende dem Angeklagten auf einen vor der Verhandlung angebrachten Beweisantrag mitgeteilt, die Entscheidung über den Antrag werde in der Verhandlung ergehen, so ist er entweder verpflichtet, dafür zu sorgen, dass diese Zusicherung eingehalten wird, sich das erkennende Gericht also mit dem Antrag befasst, oder er muss darauf hinweisen, dass der Antrag in der Hauptverhandlung zu wiederholen ist. Sofern nicht der Wille des Angeklagten, von dem Antrag ohnehin Abstand zu nehmen, zweifelsfrei erkennbar wird, kann eine Verletzung dieser Pflicht die Revision begründen. Nichts anderes gilt, wenn das Verhalten des Vorsitzenden in sonstiger Weise in einem Verteidiger den irrigen Glauben hervorruft, dass ein von diesem vor der Verhandlung eingereichter Antrag eine Sachlage geschaffen habe, die eine Wiederholung des Antrags nicht erforderlich mache. Erklärt der Vorsitzende etwa im Hinblick auf den vor der Hauptverhandlung angebrachten Beweisantrag, die dort aufgestellte Behauptung könne als wahr angenommen werden, so braucht der rechtskundige Verteidiger ohne entsprechenden Hinweis mit einer abweichenden Auffassung des erkennenden Gerichts nicht ohne weiteres zu rechnen (siehe insgesamt LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 123 mwN).“

    Damit stellt der BGH klar, dass zwar nicht jede Äußerung des Gerichts ein berechtigtes Vertrauen eines Angeklagten auf eine Bewährungsstrafe schafft. Allerdings sei dies im vorliegenden Fall geschehen, da die Äußerung so eindeutig war, dass eine Fürsorgepflicht des Gerichts entstanden sei. Dies folge schon aus dem Rechtsgedanken des § 265 StPO. Aus diesem Grund konnte das Landgericht den Angeklagten nicht ohne vorherigen Hinweis zu einer unbedingten Freiheitsstrafe verurteilen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass es nicht zu einer förmlichen Verständigung im Sinne von § 257c StPO gekommen ist. Folglich war das Landgericht hier an die Zusage einer Bewährungsstrafe gebunden.


  • Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 004/2012 vom 13.01.2012

    In der vorliegenden Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs (BGH) hat sich der 2. Strafsenat mit der Ordnungsmäßigkeit der Besetzung des Senats nach dem Geschäftsverteilungsplan 2012 beschäftigt.

    Pressemitteilung:

    Vorsitz im 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs

    Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat sich am 11. Januar 2012 in zwei Entscheidungen mit der Frage befasst, ob der Senat nachInkrafttreten des Geschäftsverteilungsplans des Bundesgerichtshofs für das Jahr 2012 in der Person des Vorsitzenden ordnungsgemäß besetzt ist.

    Den divergierenden ­ Entscheidungen liegt Folgendes zugrunde:

    Die Vorsitzendenstelle im 2. Strafsenat ist seit Februar 2011 vakant. Ein Bewerber um das Vorsitzendenamt hat im Rahmen eines Konkurrentenrechtstreits vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe den Erlass einer einstweiligen Anordnung erstritten, wonach die freie Stelle nicht besetzt werden darf, solange für ihn nicht eine neue dienstliche Beurteilung erstellt worden ist.
    Der Beschluss des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig. Wann eine Nachbesetzung der freien Stelle erfolgt, ist derzeit nicht absehbar.

    Mit dem Geschäftsverteilungsplan für das Jahr 2012 hat das Präsidium des Bundesgerichtshofs – ein aus zehn gewählten Richtern sowie dem Präsidenten bestehendes Organ richterlicher Selbstverwaltung – beschlossen, dem Vorsitzenden des 4. Strafsenats zugleich die Aufgaben des Vorsitzenden im 2.
    Strafsenat zu übertragen. Grund für diese Entscheidung ist die gesetzliche Regelung des § 21f GVG und die Auslegung, die diese Vorschrift durch die höchstrichterliche Rechtsprechung erfahren hat.

    Gemäß § 21f Abs. 1 GVG ist der Vorsitz in einem Spruchkörper des Bundesgerichtshofs von einem Vorsitzenden Richter zu führen. Der planmäßige stellvertretende Vorsitzende darf die Geschäfte des Vorsitzenden, wenn die Stelle etwa nach dessen Ausscheiden vakant geworden ist, für eine gewisse Übergangszeit führen (vgl. hierzu Bundesverwaltungsgericht – 11. Juli 2001, AZ. 1 DB 20/01; Bundessozialgericht – 29. November 2006, AZ. B 6 KA 34/06 B; Bundesfinanzhof – 21. Oktober 1999, AZ. VII R 15/99; Bundesgerichtshof – 13.
    September 2005 AZ. VI ZR 137/04). Kann die Stelle nach Ablauf dieser Zeit nicht mit einem ständigen Vorsitzenden besetzt werden, muss das Präsidium Vorsorge treffen, etwa – wie geschehen – durch die vorübergehende Übertragung des Vorsitzes auf den Vorsitzenden Richter eines anderen Senats.
    Entsprechend wird auch bei den anderen obersten Gerichtshöfen des Bundes verfahren.

    Nach dem Bekanntwerden des Geschäftsverteilungsplans des Bundesgerichtshofs für das Jahr 2012 haben Verteidiger in beim 2. und 4. Strafsenat anhängigen Verfahren beanstandet, dass diese Senate nicht ordnungsgemäß besetzt seien, weil ein Vorsitzender Richter nicht zugleich zwei Strafsenate leiten könne.

    Der 4. Strafsenat und eine von drei Sitzgruppen des 2. Strafsenats haben vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtslage keinen Zweifel daran, dass die Senate ordnungsgemäß besetzt sind. Sie haben dementsprechend auch nach dem 1. Januar 2012 in Revisionsverfahren verhandelt und entschieden. Anders hat es eine andere Spruchgruppe des 2. Strafsenats gesehen, denen zwei andere Richter angehören. Diese Sitzgruppe hat im Verfahren 2 StR 246/11 die Auffassung vertreten, dass der Senat nicht ordnungsgemäß besetzt ist. In dieser Sache hat der Senat die Hauptverhandlung ausgesetzt.

    Mit der daraus entstandenen Situation wird sich das Präsidium des Bundesgerichtshofs in den nächsten Tagen befassen.

    § 21f GVG (Vorsitz in den Spruchkörpern) lautet wie folgt:

    Den Vorsitz in den Spruchkörpern bei den Landgerichten, bei den Oberlandesgerichten sowie bei dem Bundesgerichtshof führen der Präsident und die Vorsitzenden Richter.

    Bei Verhinderung des Vorsitzenden führt den Vorsitz das vom Präsidium bestimmte Mitglied des Spruchkörpers.  Š.

    Beschluss vom 11. Januar 2012 ­ 2 StR 346/11
    Landgericht Gera ­ Urteil vom 4. April 2011 ­ 450 Js 2586/10 2 KLs jug

    und

    Urteil vom 11. Januar 2012 ­ 2 StR 482/11
    Landgericht Koblenz ­ Urteil vom 14. Juni 2011 ­ 2020 Js 17.378/11 ­ 10 KLs
    Karlsruhe den, 13. Februar 2012


  • BGH, Beschluss vom 25.05.2011, Az.: 2 StR 585/10

    Das Landgericht Mainz hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, in einem Fall in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten verurteilt. Im Prozess wurde ein Gutachten zur Steuerungsfähigkeit des Angeklagten erstellt. Danach war seine Steuerungsfähigkeit nicht erheblich beeinträchtigt. Zudem wurde seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Gegen diese Entscheidung legte der Angeklagte Revision ein.

    Der BGH hat zwar den Schuldspruch nicht beanstandet. Allerdings…

    „…hat das Landgericht zu Unrecht angenommen, es sei unbedenklich, dass die unter anderem mit der Schuldfähigkeitsbegutachtung beauftragte psychiatrische Sachverständige Dr. K.      die Durchführung einer Exploration des Angeklagten „einer erfahrenen Hilfskraft mit der Qualifikation einer Diplom-Psychologin übertragen“ hat. Ein gerichtlich bestellter Sachverständiger hat die Pflicht zur persönlichen Gutachtenerstattung. Es besteht daher ein Delegationsverbot, soweit durch Heranziehung anderer Personen die Verantwortung des Sachverständigen für das Gutachten in Frage gestellt wird (vgl. Schmid, Krank oder böse? Die Schuldfähigkeit und die Sanktionenindikation dissozial persönlichkeitsgestörter Straftäter und delinquenter „Psychopaths“ sowie die Zusammenarbeit von Jurisprudenz und Psychiatrie bei der Beurteilung der Schuldfähigkeit, 2009, S. 479; Schnoor, Beurteilung der Schuldfähigkeit – eine empirische Untersuchung zum Umgang der Justiz mit Sachverständigen, 2009, S. 125 ff.; Ulrich, Der gerichtliche Sachverständige, 12. Aufl., Rn. 337; s. auch § 407a Abs. 2 Satz 1 ZPO). Das Gutachten eines psychiatrischen Sachverständigen muss – jedenfalls soweit dies überhaupt möglich ist (vgl. BGHSt 44, 26, 32) – eine Exploration des Probanden durch den Sachverständigen einschließen. Dabei handelt es sich um die zentrale Untersuchungsmethode. Deren Ergebnisse kann der gerichtliche Sachverständige nur dann eigenverantwortlich bewerten, wenn er sie selbst durchgeführt oder zumindest insgesamt daran teilgenommen hat. Dies gilt erst recht, wenn bei der Exploration auch Mimik und Gestik des Probanden aufgefasst werden. Eine Delegation der Durchführung dieser Untersuchung an eine Hilfsperson scheidet daher aus. Die Anwesenheit des Sachverständigen in der Hauptverhandlung vermag die eigene Exploration nicht zu ersetzen.“

    „Der Katalog der Straftaten, deren Begehung zur Anordnung oder zum Vorbehalt dieser Maßregel der Besserung und Sicherung führen kann, ist durch das Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300) mit Wirkung vom 1. Januar 2011 neu gefasst worden. Zu diesem gehört das unerlaubte Handeltreiben mit Betäubungsmitteln nicht, soweit die Tat nicht im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist (§ 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. b, Abs. 2 und 3 Satz 1 StGB). Gemäß Art. 316e Abs. 2 EGStGB ist das neue Gesetz für vor seinem Inkrafttreten begangene und noch nicht rechtskräftig abgeurteilte Taten maßgeblich, wenn es gegenüber der bisherigen Rechtslage milder ist (vgl. Senat, Beschluss vom 12. Januar 2011 – 2 StR 642/10). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Der Senat hat daher entsprechend § 354a i.V.m. § 354 Abs. 1 StPO in der Sache entschieden und angeordnet, dass die Maßregel entfällt.“

    Damit stellt der BGH klar, dass ein vom Gericht bestellter Sachverständiger die Pflicht zur persönlichen Gutachtenerstattung hat. Er könne diese Aufgabe in aller Regel nicht delegieren. Zudem hat der BGH in dieser Entscheidung betont, dass der Tatrichter das Gutachten selbstständig bewerten muss und sich gegebenenfalls auch sachkundig machen muss, sofern dies zum Beispiel für das Verständnis eines Gutachtens erforderlich ist. Nichtsdestotrotz hat der BGH die Verurteilung nicht aufgehoben, da ausgeschlossen wurde, dass das Urteil des Landgericht auf den genannten Rechtsfehlern beruht. Lediglich die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung wurde aufgehoben, da sie aus Gründen des materiellen Rechts keinen Bestand hatte.


  • Das Landgericht Köln hat den Angeklagten D. wegen versuchten schweren Raubes, zu Freiheitsstrafen von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
    Die nichtrevidierenden Mitangeklagten P. und M. wurden ebenfalls wegen versuchten schweren Raubes zu zwei Jahren bzw. drei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt, wobei M. zusätzlich wegen versuchten Betruges verurteilt wurde.

  • Vor dem Amtsgericht musste sich ein Hamburger Strafverteidiger verantworten.

    Die Staatsschutz-Abteilung der Staatsanwaltschaft warf ihm fahrlässiges Führen einer Waffe ohne Waffenschein vor. Der Strafverteidiger aus Hamburg hatte im Sommer 2010 an zwei Verhandlungstagen eine orangefarbene Plastikhülse in seiner Aktentasche in den Gerichtssaal getragen, um sie dort Zeugen zu zeigen. Die Hülse dient eigentlich dazu, in Notsituationen optische Signale abzugeben. Ohne pyrotechnische Munition war sie im Grunde unbrauchbar.

  • Die Angeklagte stellte einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsverhandlung. Dies lehnte das Landgerichts Potsdam ab. Die Angeklagte legte sofortige Beschwerde ein. Mit der Revision wendet sie sich gegen die Verwerfung der Berufung.

  • BGH, Beschluss vom 10.11.2010, Az.: 2 StR 403/10

    Das Landgericht Koblenz hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen in drei Fällen unter Einbeziehung von anderen Einzelstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen diese Entscheidung legte der Angeklagte Revision ein.

    Nach den Feststellungen des Landgerichts vollzog der Angeklagte in drei Fällen mit seiner damals zehnjährigen Tochter, der Nebenklägerin, vaginalen ungeschützten Geschlechtsverkehr. Die Fälle ereigneten sich alle im Jahr 1999, wobei der Geschlechtsverkehr zunächst im elterlichen Bett, später im Keller und dann im Auto vollzogen worden sei. Bezüglich weiterer angeklagten Fälle sprach das Landgericht den Angeklagten frei.

    Die Verurteilungen stützt das Gericht auf die Angaben der zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung 21 Jahre alten Nebenklägerin. Diese hatte 2008 aus der Haft heraus einen Brief an ihren Vater geschrieben, in dem sie ihn des sexuellen Missbrauchs bezichtigte. Der Brief wurde bei der Briefkontrolle angehalten. Der Angeklagte bestritt die Taten.

    Der 2. Strafsenat des BGH gab der insoweit erfolgreichen Revision statt, da revisionsrechtlich erhebliche Fehler im Rahmen der Beweiswürdigung durch das Landgericht gemacht worden sind und somit ein Verstoß gegen § 261 StPO vorliegt:

    „Insoweit begegnet es schon Bedenken, dass das Landgericht ersichtlich nicht bedacht hat, dass die Detailarmut der Angaben der Nebenklägerin Auswirkungen auf die Aussagekraft des Konstanzkriteriums für die Bewertung der Glaubhaftigkeit einer Aussage haben kann (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Oktober 1999 – 4 StR 370/99). Die Kammer begründet die Konstanz der Angaben der Nebenklägerin letztlich damit, dass sie in Übereinstimmung mit ihrer polizeilichen Aussage auch im Rahmen der Hauptverhandlung keine näheren Details zu berichten wusste (UA S. 15).
    Jedenfalls wäre eine umfassende Würdigung von Anlass und Motiv des Briefes für die Würdigung der Aussagegenese und -entwicklung von Bedeutung gewesen. Insoweit hat die Kammer schon bei der Beurteilung der Frage, ob die Nebenklägerin den Angeklagten zu Unrecht belastet haben könnte, erkennbar nicht alle erheblichen Umstände in ihre Überlegungen miteinbezogen. Nach den Feststellungen wollte die Nebenklägerin mit ihrem Brief den Vater „wütend machen“ bzw. beeindrucken und verängstigen, weil sie ihre seit 2001 vom Angeklagten getrennt lebende Mutter vor „eventuellen Angriffen“ des Angeklagten schützen wollte. Wenn die Kammer daraus schließt, dass nur ein wahrer Vorwurf geeignet sei, den Angeklagten zu verängstigen, überzeugt dies ohne nähere Begründung nicht, denn grundsätzlich kann auch der wahrheitswidrige Vorwurf eines sexuellen Missbrauchs eine Person verängstigen und in Wut versetzen. Zudem hat die Kammer bei ihrer Würdigung rechtsfehlerhaft außer Acht gelassen, dass die Nebenklägerin den Angeklagten in demselben Brief auch wahrheitswidrig des sexuellen Missbrauchs anderer Kinder bezichtigt hatte und dies mit dem gleichen Ziel, ihn „wütend zu machen“ (UA S. 12).“

    Damit stellt der BGH klar, dass das Gericht sich gerade im Sexualstrafrecht zumindest mit allen für die Beweiswürdigung relevanten Tatsachen auseinander setzen muss. Insbesondere in solch einem Fall – wenn Aussage gegen Aussage – steht, muss das Revisionsgericht alle Urteilsgründe überprüfen können.


Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner

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