In dem Prozess vor dem Landgericht Aachen gegen Peter Paul Michalski und Michael Heckhoff wegen ihres Ausbruchs aus der JVA Aachen 2009 und den damit in Verbindung stehenden Straftaten, hat die Staatsanwaltschaft ihr Plädoyer gehalten.
Im November 2009 waren Michalsky und Heckhoff mit Hilfe eines ebenfalls angeklagten Vollzugsbediensteten aus der JVA Aachen ausgebrochen. Es folgte eine mehrtägige Flucht durch Nordrhein-Westfalen. Während dieser Flucht nahmen Michalsky und Heckhoff Geiseln, die sie laut der Anklageschrift mit Hinweisen auf ihr Vorstrafenregister eingeschüchtert und so gefügig gemacht haben sollen. Zunächst sollen die beiden einen Taxifahrer bedroht haben. Dann eine 18-jährige Schülerin, deren Wagen sie zur weiteren Flucht benutzten. Die 18-jährige soll auf der Rückband des Wagens Todesängste ausgestanden haben, heißt es. Sodann sollen Michalsky und Heckhoff ein Ehepaar stundenlang in ihrer Gewalt gehalten haben.
Ein Gutachter stellte im Prozess fest, dass die beiden Angeklagten nicht zur Empathie fähig wären und dissoziale Persönlichkeitsstrukturen aufweisen würden. Beide sind bereits zu lebenslangen Freiheitsstrafe und Sicherungsverwahrung verurteilt worden.
Für den Vollzugsbediensteten forderte die Staatsanwaltschaft eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren, für die beiden Ausbrecher Freiheitsstrafen von zwölf beziehungsweise dreizehn Jahren mit anschließender Sicherungsverwahrung.
(FAZ vom 14.01.2011 Nr. 11, S. 7)
Das Landgericht Hamburg hat entschieden, dass ein Mann, der eigentlich unter die Regelung hinsichtlich der Sicherungsverwahrung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte fällt, auf unbestimmte Zeit nicht aus dieser zu entlassen ist.
Nach Ansicht des Gerichts „liegen konkrete Umstände vor, die eine hochgradige Gefahr schwerster Gewaltverbrechen begründen, wenn der Verurteilte zum jetzigen Zeitpunkt entlassen werden würde“.
Der Mann hatte in den 1980er Jahren zwei Menschen getötet und seine Freilassung aus der Sicherungsverwahrung war für den 26.12.2010 angesetzt.
Der Senat stellte zudem sein Konzept zur Unterbringung entlassener Sicherungsverwahrter vor, danach sollen rückfallgefährdete Sexual- und Gewaltstraftäter im Zentralkrankenhaus der U-Haft am Holstenglacis untergebracht werden. Das Landgericht Hamburg gab der Stadt Hamburg daher die Zeit die Bedingungen derart auszugestalten.
Mit seiner Entscheidung folgte das Landgericht Hamburg einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs, der ebenfalls verneint hatte, dass Sicherungsverwahrte automatisch zu entlassen seien. Vielmehr sei jeweils zuvor ihre Gefährlichkeit zu prüfen.
(Quelle: Hamburger Abendblatt vom 22. 12.2010, S. 7)
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat entschieden, dass die gegen einen Mann verhängte Sicherungsverwahrung nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstößt. Der Entscheidung lag der Fall zugrunde, dass gegen einen 65-Jährigen Deutschen, der 1995 wegen versuchten Bandendiebstahls zu sieben Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden war, wegen seiner zahlreichen Vorstrafen Sicherungsverwahrung angeordnet wurde.
Der Mann wurde als Rückfallgefährdet eingestuft und lehnte jegliche Therapie ab. Zwar bestätigte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nochmals seine Bedenken, gegen die derzeitige Regelung der Sicherungsverwahrung in Deutschland, machte jedoch auch deutlich, dass sie für gefährliche Straftäter als solche menschenrechtskonform sei.
(Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Beschwerde Nr. 24478/03)
Die Koalition hat sich über die Reform der Sicherungsverwahrung geeinigt. Die Neuordnung soll beinhalten, dass für als gefährlich eingestufte Straftäter das „Gesetz zur Therapierung und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter“ geschaffen wird. Diese Tätergruppe muss oder musste aufgrund eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus der Sicherungsverwahrung entlassen werden. Das Bundesjustizministerium rechnet mit einer eher kleinen Zahl von derart einzustufenden Tätern.
Mit dieser Reform soll die Allgemeinheit vor gefährlichen Straftätern geschützt werden. Zudem soll sichergestellt werden, dass die Sicherungsverwahrung die ultima ratio bleiben soll. Die Sicherungsverwahrung soll in Zukunft nur noch auf die wirklich gefährlichen (Sexual- und Gewalt-) Verbrecher begrenzt sein. Die nachträgliche Sicherungsverwahrung soll abgeschafft werden. Hingegen wird die vorbehaltene Sicherungsverwahrung ausgebaut werden.
( Quelle: FAZ vom 20.10.2010 Nr. 244, S. 5 )
Strafrecht / Aktuelle Nachrichten
Die Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und der Bundesinnenminister Thomas de Maizière haben sich auf die Neuregelung der Sicherungsverwahrung und die Regelung der Altfälle geeinigt.
So sollen für Straftäter, die weiterhin als psychisch gestört und gefährlich gelten, die Möglichkeit bestehen diese in eine neuartige Therapie und Verwahrung einzuweisen. Eins entsprechendes Gesetz soll am kommenden Donnerstag vorgestellt werden. Für die Einrichtungen, in die die Straftäter eingewiesen werden, sollen die Länder zuständig sein.
Die Bundesjustizministerin will zudem noch prüfen, ob auch bereits aus der Sicherungsverwahrung entlassene Straftäter unter diese Regelung fallen sollen.
Das neue Gesetz soll dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gerecht werden.
(Quelle: FAZ vom 27.08.2010 Nr. 198, S. 1)
3. Strafsenat des BGH, Az. 3 StR 69/10
Der Angeklagte ist vom Landgericht Mönchengladbach wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen und wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in insgesamt sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Außerdem wurde die Sicherungsverwahrung angeordnet. Der Angeklagte richtet sich mit seiner Revision gegen seine Verurteilung und kann einen Teilerfolg vor dem Bundesgerichtshof (BGH) erzielen.
Der damals 57 oder 58 Jahre alte Angeklagte baute zu zwei Mädchen aus der Nachbarschaft im Alter von zehn bis zwölf Jahren eine Freundschaft auf und kümmerte sich im Einverständnis mit dessen Eltern um diese, indem er mit den Kindern Ausflüge unternahm oder sie von der Schule abholte. Während der Sommerferien 2008 befanden sich die Kinder ständig von morgens bis abends bei ihm. In diesem Zeitraum von Anfang Juni bis Ende August 2008 missbrauchte er die beiden Kinder.
Während der Strafausspruch nach Ansicht des Strafsenats des Bundesgerichtshofs nicht zu beanstanden sei, könne die Anordnung der Sicherungsverwahrung jedoch nicht bestehen bleiben, „da das Landgericht weder einen Hang zur Begehung erheblicher Straftaten im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB noch eine auf ihm beruhende zukünftige Gefährlichkeit des Angeklagten tragfähig begründet hat“.
Hierzu führt der Senat aus:
„Das Merkmal „Hang“ im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB verlangt einen eingeschliffenen inneren Zustand des Täters, der ihn immer wieder neue Straftaten begehen lässt. Hangtäter ist derjenige, der dauerhaft zu Straftaten entschlossen ist oder aufgrund einer fest eingewurzelten Neigung immer wieder straffällig wird, wenn sich die Gelegenheit bietet, ebenso wie derjenige, der willensschwach ist und aus innerer Haltlosigkeit Tatanreizen nicht zu widerstehen vermag. Der Hang als „eingeschliffenes Verhaltensmuster“ bezeichnet einen aufgrund umfassender Vergangenheitsbetrachtung festgestellten gegenwärtigen Zustand. Seine Feststellung obliegt – nach sachverständiger Beratung – unter sorgfältiger Gesamtwürdigung aller für die Beurteilung der Persönlichkeit des Täters und seiner Taten maßgebenden Umstände dem Richter in eigener Verantwortung (BGH, Urt. vom 17. Dezember 2009 – 3 StR 399/09 – Rdn. 4).“
Einer solchen Feststellung fehlt es jedoch im angefochtenen Urteil. Das Landgericht stellt lediglich fest, dass „bei dem Angeklagten die aus psychologisch-psychiatrischer Sicht für einen Hangtäter sprechenden Risikofaktoren für die Begehung weiterer sexueller Missbrauchstaten von Kindern nach Anzahl und Gewicht (überwiegen). Dieses ließe erwarten, dass der Angeklagte auch weitere im mittleren bis schweren Bereich anzusiedelnde sexuelle Missbrauchstaten begehen wird.“
Daran lässt sich erkennen, dass das Landgericht die Entscheidung über das Merkmal des Hanges einem Sachverständigen überließ sowie eine notwendige Gesamtwürdigung von Taten und Täterpersönlichkeit fehlt. Das ist jedoch bei einer solchen Prognose einzubeziehen:
„Diese [Gesamtwürdigung] ist mit besonderer Sorgfalt vorzunehmen, wenn – wie hier – bei Vorliegen der formellen Voraussetzungen nach § 66 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 StGB in Ermangelung von symptomatischen Vortaten und neuerlicher Delinquenz trotz erfolgter Strafverbüßung die Tatsachengrundlage besonders schmal ist (vgl. BGHR StGB § 66 Abs. 3 Katalogtat 1). In die Würdigung wäre hier u. a. einzustellen gewesen, dass der nicht vorbestrafte Angeklagte bislang ein unauffälliges Leben führte und aus mehreren, zum Teil langjährigen Beziehungen mit Frauen insgesamt vier erwachsene Kinder hatte. Zudem handelte es sich um einen äußerst kurzen Tatzeitraum.“
Auch die Gleichstellung von einer positiven Gefährlichkeitsprognose mit der Feststellung eines Hangs wäre rechtsfehlerhaft, da beides keine identischen Merkmale sind und dieses auch im Gesetz unterschieden wird. Vielmehr ist der Hand nur ein wesentliches Kriterium für eine Prognose.
Des Weiteren sei nach Ansicht des Strafsenats auch die Beurteilung der Gefährlichkeit rechtlich zu beanstanden. Zwar sei das vom Landgericht verwendete Prognoseinstrument „Static 99“ ein Instrument, das zur Vorhersage von Rückfällen bei Sexualdelinquenz verwendet werden kann, jedoch sei das Ergebnis des Sachverständigen nicht ersichtlich erklärt. Insbesondere ist es fraglich, wie ein so hoher Risikowert zu Stande kommen kann, wenn es sich um einen nahezu 60 jährigen Angeklagten mit langjährigen Beziehungen zu Frauen handelt, der zu den Opfern und in der Nachbarschaft über Jahre eine gute Beziehung hatte sowie bei seiner Tat ohne Gewalt vorging. Auch unterlässt das Landgericht darzulegen, welche Straftaten in welchem Zeitraum sowie mit welcher Wahrscheinlichkeit vom Angeklagten nach deren Prognoseentscheidung auszugehen sind. Hier beschränkt sich das LG Mönchengladbach auf die Festestellung des „hohe Risikos“ beim Angeklagten.
Insgesamt können solche statistischen Prognoseinstrumente für die Prognose nur Anhaltspunkte liefern, eine fundierte Einzelbetrachtung daher nicht ersetzen. Es bedarf auch einer Einzelfallanalyse durch einen Sachverständigen.
Angesichts der Rechtsfehler ist das Urteil aufzuheben und an das Landgericht zurückzuverweisen. Für die neue Entscheidung über den Maßregelausspruch ist die Hinzuziehung eines anderen Sachverständigen zu empfehlen.
Strafrecht / Aktuelle Nachrichten / Sicherungsverwahrung
Nach einem in Mai ergangenen und jetzt erst veröffentlichten Beschluss, erklärt der Bundesgerichtshof (BGH) die nachträglich verhängte Sicherungsverwahrung in einem Fall für unzulässig und hob sie auf. Dabei handelte es sich um den Fall eines Mannes, der 1989 wegen Vollrausches gem. § 323a StGB zu vier Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurde und bereits unter anderem wegen Mordes und gefährlicher Körperverletzung vorbestraft war. Er wurde in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht, da er zur Begehung von schwerster, sexuell motivierter Straftaten neige. 1991 wurde die Unterbringung vom Landgericht Trier bestätigt. im Jahre 2007 wurde die nachträgliche Sicherungsverwahrung verhängt. Die nachträgliche Sicherungsverwahrung wurde jedoch erst im Jahr 2004 eingeführt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschied im Dezember 2009 (Az: 4 StR 577/09), dass die nachträgliche Sicherungsverwahrung nicht auf solche „Altfälle“ anwendbar sei. Aus diesem Grund hob der BGH die verhängte nachträgliche Sicherungsverwahrung auf.
(FAZ vom 11.06.2010 Nr. 132, S. 14)
Die Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hatte bereits angekündigt, dass die derzeitige Regelung der Sicherungsverwahrung neu geordnet werden müsse (vgl. Blog-Eintrag vom 14.05.2010). Diese Neuordnung stützt sich auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der das deutsche System der Sicherungsverwahrung für teilweise unrechtmäßig einstufte.
Die Neuregelung der Sicherungsverwahrung soll sich nur noch auf Sexual- und Gewalttaten beschränken. Vermögensdelikte ohne Gewaltanwendung, wie sie derzeit erfasst werden, sollen nicht mehr der Möglichkeit der Sicherungsverwahrung unterfallen. Die Bundesjustizministerin gab an, dass man sich „auf die wirklich gefährlichen Täter konzentrieren“ wolle.
Die Änderungen sollen ausschließlich für Neufälle gelten. Das bedeutet, dass alle Altfälle weiterhin nach der derzeit geltenden Rechtlage beurteilt werden.
(FAZ vom 10.06.2010 Nr. 131, S. 4)
Die Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat aufgrund der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte die Justiz aufgefordert die Sicherungsverwahrung zu prüfen. Die Folge ist nun, dass Staatsanwaltschaften und Gerichte jeden Einzelfall bewerten müssten. Eine Gesetzesänderung sei wegen der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte keine zwingende Folge, jedoch habe die Koalition dies verabredet. Die Sicherungsverwahrung solle auf schwere Straftaten beschränkt werden. Zudem solle die Sicherungsverwahrung vom Strafvollzug abgegrenzt werden.
(FAZ vom 15.05.2010 Nr. 111, S. 4)
5. Strafsenat des BGH, Az. 5 StR 311/09
Das Landgericht Potsdamm hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in insgesamt zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit der Herstellung kinderpornographischer Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Außerdem ordnete das Landgericht seine Unterbringung in der Entziehungsanstalt und in der Sicherungsverwahrung nach §66 Abs. 3 S. 1 StGB an.
Gegen das Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH) und kann hinsichtlich der vom Gericht angeordneten Maßregeln einen Teilerfolg erzielen. Denn in seiner Rüge beanstandet der Angeklagte, dass „auf die Möglichkeit der Anordnung der Sicherungsverwahrung nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form (§ 265 Abs. 1 und 2 StPO) hingewiesen wurde.“
In der Anklageschrift wird die Möglichkeit der Sicherungsverwahrung nicht erwähnt, ebenso wenig ist dies in dem Eröffnungsbeschluss nachgeholt. Selbst während der Hauptverhandlung wurde kein förmlicher Hinweis auf diese Maßregelung erteilt.
So hat die Strafkammer lediglich durch einen gesonderten Beschluss einen Sachverständigen ergänzend beauftragt, auch bezüglich der Sicherungsverwahrung Stellung zu nehmen. Dies genügt jedoch nicht der Hinweispflicht gemäß § 265 Abs.1, 2 StPO.
Hierzu führt der 5. Strafsenat aus:
“Allerdings kann auch in der gerichtlichen Anordnung, ein Gutachten zur Frage der Unterbringung anzuordnen, ein solcher Hinweis liegen (BGH NStZ 2009, 468 [Anordnung im Eröffnungsbeschluss]; NStZ 1992, 249 [zu § 63 StGB]). Dafür muss der die Beweisanordnung enthaltende Beschluss dem Angeklagten aber eindeutig erkennbar machen, auf welche Maßregel das Gericht zu erkennen gedenkt (BGHSt 22, 29, 30; BGHR StPO § 265 Abs. 2 Hinweispflicht 6; BGH NStZ 2009, 468). Gerade vor dem Hintergrund der bei der Anordnung der Sicherungsverwahrung aus rechtsstaatlichen Gründen zu wahrenden Formenstrenge (BGHR StPO § 265 Abs. 2 Hinweispflicht 6; BGH NStZ-RR 2004, 297) genügt die allgemein gehaltene ergänzende Beauftragung des Sachverständigen diesen Anforderungen nicht. Angesichts der sich deutlich unterscheidenden einzelnen Anordnungstatbestände des § 66 StGB lässt sich einem derart unspezifizierten Hinweis die Variante nicht entnehmen, die für das Gericht in Betracht kam (vgl. BGH NJW 2004, 1187 insoweit in BGHSt 49, 25 nicht abgedruckt; BGHR StPO § 265 Abs. 2 Hinweispflicht 6; siehe auch BGH NStZ 1998, 529, 530). Somit fehlt die verbindliche Wirkung einer den rechtlichen Rahmen des Hauptverfahrens bestimmenden gerichtlichen Prozesshandlung.“
Gleiches gilt für einen weiteren Beschluss der Strafkammer, mit dem der Umfang eines weiteren Gutachtens von einem anderen Sachverständigen festgelegt wurde. In Gutachten ist von den Maßregelungen nach §20, 21 StGB und nach §63, 64 und 66 StGB die Rede, was insgesamt auf keine eindeutige Maßregel des Gerichts schließen lässt. Doch auch weitere rechtliche Hinweise und Vorgänge während der Hauptverhandlung ließen nicht die konkrete und vom Gericht beabsichtigte Maßregelung erkennen.
Auszug aus dem Wortlaut der Entscheidung:
“Insbesondere waren die Ausführungen des Sachverständigen zu den materiellen Voraussetzungen der Maßregel nicht geeignet, dem Angeklagten eindeutig vor Augen zu führen, dass das Gericht auf eine solche Maßregel zu erkennen gedenkt (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 271; 2004, 297; StV 2008, 344; BGH, Beschluss vom 28. April 2009 – 4 StR 544/08). Gleiches gilt für den – zudem hinsichtlich des Maßregelausspruchs nicht eindeutig protokollierten – Schlussantrag des Staatsanwalts (vgl. BGH StV 1988, 329; NStZ 1998, 529, 530; NStZ-RR 2008, 316). Dass der Verteidiger des Angeklagten selbst in seinem Schlussvortrag zu den Anordnungsvoraussetzungen des § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB Stellung genommen hat (vgl. BGH NStZ-RR 2008, 316; BGH, Beschluss vom 26. Mai 1998 – 5 StR 196/98), lässt sich weder dem Protokoll noch der unwidersprochen gebliebenen dienstlichen Stellungnahme der Vorsitzenden zur Revisionsbegründung entnehmen.“
Auch den Ausführungen des Generalbundesanwalts schließt sich der Senat nicht an. Dieser möchte den Verfahrensfehler ausschließen, da der Angeklagte zu einer Aufnahme in eine therapeutische Wohngruppe im Strafvollzug „aufgrund der zu erwartenden Sicherungsverwahrung als Zweckverhalten“ bereit war. Auch hier fehlt es nach Ansicht des Senats an hinreichendem Hinweis auf die Maßregelung.
Demnach ist die Unterbringung in die Sicherungsverwahrung und somit der gesamten Maßregelausspruch aufzuheben und darüber von einem neuen Tatrichter zu entscheiden. Hier wird auch zu erörtern sein, ob die Voraussetzungen des § 63 StGB vorliegen.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner