Der Messereinsatz muss in einer Notwehrsituation nicht angedroht werden, wenn die Gefahr droht, dass dies den Angriff nicht mit Sicherheit beendet.
Der Angeklagte wurde vom Landgericht Wiesbaden wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt.
Der Verurteilung lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
Der 22-jährige Angeklagte geriet in Begleitung eines Freundes mit zwei anderen Personen auf offener Straße in Streit. Dabei kam es auch zu gegenseitigem Schubsen und Schlagen. Der Angeklagte wollte seinem Freund, der nach einigen Schlägen bewusstlos auf dem Boden lag, zu Hilfe eilen und zog aus seiner Bauchtasche ein Messer mit einer Klingenlänge von knapp 7cm hervor. Dies sah einer der Geschädigten jedoch nicht und schlug auf den Angeklagten weiter ein, so dass der Angeklagte ebenfalls zu Boden ging. Als die beiden Geschädigten nun weiter auf den Angeklagten einschlagen wollten, stach er einem der Angreifer drei Mal mit Verletzungsvorsatz in Bein und Gesäß. Unmittelbar darauf stach der Angeklagte auf den zweiten Angreifer mit bedingtem Tötungsvorsatz in die linke Brust. Obwohl der Angeklagte erkannte, dass der zweite Angreifer noch nicht tödlich verletzt war, folgte er diesem bei seiner Flucht nicht, da er sein Ziel, den Angriff abzuwehren, erreicht hatte. Während der zweite Geschädigte durch eine Notoperation gerettet wurde, verstarb der erste Geschädigte.
Im Prozess vor dem Landgericht erkannte das Gericht zwar eine Notwehrlage im Sinne des § 32 StGB. Es verneinte jedoch die Annahme, dass der Einsatz des Messers gegen unbewaffnete Angreifer eine erforderliche Verteidigung war. Der Angeklagte hätte den Einsatz des Messers zuvor androhen müssen.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hält in der Revisionsinstanz solch eine Androhung in diesem konkreten Fall aber nicht für notwendig. Denn ein Angegriffener muss kein unsichereres Mittel der Verteidigung wählen:
Zwar geht die Rechtsprechung davon aus, dass gegenüber einem unbewaffneten Angreifer der Gebrauch eines Messers in der Regel anzudrohen ist (BGH NStZ 1996, 29 f.; BGHSt 26, 256, 258). Dies setzt aber voraus, dass eine solche Drohung unter den konkreten Umständen eine so hohe Erfolgsaussicht hat, dass dem Angegriffenen das Risiko eines Fehlschlags und der damit verbundenen Verkürzung seiner Verteidigungsmöglichkeiten zugemutet werden kann.
Es ist nicht ersichtlich, warum das Landgericht der Meinung war, dass in diesem Fall eine Androhung die Verteidigungsmöglichkeiten nicht verschlechtert hätte. Vor allem, da die beiden Angreifer bereits den Freund des Angeklagten bewusstlos geschlagen hatten. Auch dass der Geschädigte selbst nach dem Ziehen des Messers noch seinen Angriff fortsetze, lässt vermuten, dass eine Drohung die Angreifer nicht abgeschreckt hätte. Somit konnte dem Angeklagten das Risiko eines Fehlschlages durch die Androhung nicht auferlegt werden. Die erfolgreiche Revision der Strafverteidigung führt dazu, dass die Sache an eine andere Schwurgerichtskammes des Landgerichts zurückverwiesen wird.
BGH, Beschluss vom 21. November 2012, Az.: 2 StR 311/12