Totschlag

  • Wurde eine Norm zwischen Tatzeit und Verurteilung verändert, so muss die für den Angeklagten günstigere Norm angewandt werden

    Vor dem Landgericht Halle wurde ein Totschlag verhandelt, der vor 1998 begangen worden war. Der Angeklagte wurde vom Gericht zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Dabei wurde ein minder schwerer Fall angenommen. Das Gericht nahm jedoch einen Strafrahmen von einem Jahr bis zu zehn Jahren an.

  • Für die Heimtücke reicht bereits die Ausnutzung der Arg- und Wehrlosigkeit eines schutzbereiten Dritten aus.

    Das Landgericht Limburg an der Lahn stellte fest, dass die Angeklagte ihr zwei Wochen altes Kind im Jahre 2006 aufgrund einer Überforderung getötet hatte. Bei der Obduktion wurden jedoch keine Hinweise auf einen unnatürlichen Tod gefunden. Auch beim zweiten Kind, das mit eineinhalb Monaten ebenso 2006 von der Angeklagten getötet wurde, wurde plötzlicher Kindstod angenommen. Trotz Überwachung durch einen Herzschlagmonitor und besonderer Wachsamkeit des Ehemannes tötete die Angeklagte unter ähnlichen Umständen auch ihr drittes Kind im Jahr 2009. Diese Feststellung führte zu einer Verurteilung wegen Totschlags in drei Fällen.

    Einen Mord hat das Landgericht dagegen nicht angenommen, da die Angeklagte nicht heimtückisch im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB gehandelt hat. Denn als die Angeklagte die Bewachung ihres Kindes übernahm und der Ehemann sich schlafen legte, hatte die Angeklagte noch keinen Tatentschluss gehabt. Sie lockte den Ehemann, als schutzbereiten Dritten, also nicht gezielt weg.

    In der Revisionsinstanz sieht der Bundesgerichtshof (BGH) dies anders.

  • Bei der Bemessung der Jugendstrafe muss die positive Entwicklung nach der Tat berücksichtigt werden.

    Das Landgericht Mainz verurteilte den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Eine Jugendstrafe von drei Jahren und sechs Monaten hielt das Gericht für angemessen.

  • Nach der Urteilsverkündung kann das fehlende letzte Wort des Angeklagten nicht durch eine erneute Urteilsverkündung geheilt werden.

    Der Angeklagte wurde vom Landgericht Wiesbaden unter anderem wegen versuchten Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Nach der Urteilsverkündung bemerkte die Schwurgerichtskammer, dass sie dem Angeklagten das letzte Wort nicht gewährt hatte.

    Gegen den Protest der Strafverteidigung, trat die Kammer erneut in die Hauptverhandlung ein. Es wurden erneut die Schlussvorträge vorgetragen und dem Angeklagten wurde nun das letzte Wort gewährt. Nach weiterer Beratung verkündete die Strafkammer ein weiteres Urteil mit demselben Tenor wie zuvor.

    Die Strafverteidigung wehrt sich mit der Revision gegen beide Urteile.

  • Auch bei einem Freispruch müssen die persönlichen Verhältnisse des Angeklagten im Urteil erwähnt werden.

    Dem Angeklagten wurde vorgeworfen, dass er das einjährige Kind seiner Lebensgefährtin so stark misshandelt haben soll, dass es an den Verletzungen starb. Der Angeklagte machte vor der Polizei und dem Landgericht unterschiedliche Angaben zum Tatgeschehen. Mal sei er auf das Kind gefallen, dann habe er es doch geschüttelt, ein anderes Mal solle das Kind selbst auf der Couch zusammengebrochen sein und einmal sagte der Angeklagte aus, das Kind habe bereits im eigenen Bett den Zusammenbruch erlitten.

    Das Landgericht sprach daraufhin den Angeklagten zumindest vom Totschlag frei.

    Die Staatsanwaltschaft legte Revision gegen dieses Urteil ein.

  • Einzelne Aussagen des Angeklagten dürfen nicht isoliert gesehen werden, sondern es muss die gesamte Einlassung betrachtet werden.

    Das Landgericht Frankfurt am Main verurteilte den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Jugendstrafe von sechs Jahren. Dagegen wehrt sich die Strafverteidigung mit der Revision.

    Das Landgericht kam zu folgender Feststellung: Der Angeklagte wollte mit seinem Fahrrad an dem Geschädigten und einem Freund vorbei fahren. Der Geschädigte sprach den Angeklagten sodann auf eine Auseinandersetzung von einigen Tagen zuvor an. Daraufhin warf der Angeklagte sein Fahrrad zur Seite und schlug den Geschädigten auf die Brust. Nachdem der Geschädigte zurückschlug, zog der Angeklagte ein Messer und stach in den Oberkörper des Geschädigten. Dieser starb daraufhin.
    Der Angeklagte stellte die Situation jedoch anders da. Er wäre vom Geschädigten mit der Faust auf das linke Auge geschlagen worden und kam dabei zu fall. Als er aufstehen wollte, wurde er von mehreren Schlägen auf den Hinterkopf wieder heruntergeschlagen. Daraufhin sei er in eine Hecke geraten. Erst dort kam er wieder in die Hocke und stach mit einem Messer zu. Das Landgericht hielt die Einlassung des Angeklagten für insgesamt unglaubhaft und widerlegt an.
    Der Bundesgerichtshof (BGH) prüft als Revisionsinstanz zwar lediglich auf Rechtsfehler, jedoch liegt solch ein Rechtsfehler auch dann vor, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Nach den Ausführungen des Senats fehle es hier an einer Gesamtwürdigung der Einlassung, das Landgericht wertete einzelne Beweisergebnisse lediglich isoliert.
    So hielt das Landgericht es zum Beispiel für ausgeschlossen, dass Verletzungen am rechten Jochbein und dem linken Auge sowie ein abgebrochener Schneidezahn beim Angeklagten von einem einzigen Schlag herrühren können. Dagegen führt der BGH aus:

    „Die Erörterungen des Gerichts bleiben jedoch lückenhaft, da es nach der Einlassung des Angeklagten naheliegende andere Ursachen für die festgestellten Verletzungen nicht berücksichtigt hat (vgl. auch BGH, Beschluss vom 3. April 2002 – 3 StR 33/02 – NStZ 2002, 494, 495; BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung, unzureichende 5), wie etwa den Umstand, dass der Angeklagte, während er zu Boden schaute, durch zahlreiche Schläge auf den Hinterkopf „heruntergeschlagen“ wurde. Auch wenn sich der Angeklagte auf allen „Vieren“ befunden haben will, schließt dies Gesichtsverletzungen der festgestellten Art nicht aus.“

    Ebenfalls isoliert betrachtete das Landgericht das Hineingeraten in die Hecke. So könnte die grüne Farbe an der Hose des Angeklagten nicht von der Hecke stammen, da die Blätter zu klein seien. Auch die Pflanzenspuren an der Gesäßtasche der Hose, die von einer naheliegenden Hecke stammen, lassen laut dem Landgericht nicht den Schluss zu, dass der Angeklagte zur Tatzeit in die Hecke gefallen sei. Dabei kritisiert der Senat, dass das Landgericht keine Anhaltspunkte erwähnte, warum der Angeklagte vor oder nach Tatbegehung mit der Hecke in Kontakt geraten sein soll. Insgesamt fehlt es dem Gesamt an einer Gesamtschau bezüglich der Einlassung:

    „Vor allem aber fehlt es an einer erforderlichen Gesamtwürdigung, die erkennen lässt, dass die einzelnen Indizien, die für sich genommen einen geringen Beweiswert haben mögen, im Zusammenhang mit den anderen gesehen und auch zueinander in Bezug gesetzt worden sind. Die vom Landgericht floskelhaft erwähnte Gesamtschau (UA S. 15) wird dem nicht gerecht.“

    Aus diesem Grund hat die Strafverteidigung mit ihrer Revision Erfolg. Das Urteil des Landgerichts wird aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

    BGH, Beschluss vom 27. September 2012, Az.: 2 StR 349/12


  • Es ist nicht selbstverständlich, dass eine in ihrer Steuerungsfähigkeit verminderte Person die Gefährlichkeit ihres Handelns erkennt.

    Das Landgericht Lüneburg verurteilte den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren. Die Strafverteidigung wehrt sich dagegen mit der Revision.

    Der Angeklagten wurde vorgeworfen, dass sie zur Mittagszeit ihren Ehemann, der örztliche Blutgerinnungshemmer erhielt, mit Tötungsvorsatz mehrere Rissverletzungen am Kopf zufügte. Der Mann erlitt daraufhin einen Kreislaufzusammenbruch und starb innerhalb einer halben Stunde. Die Angeklagte, die neben einer Alkoholabhängigkeit auch unter einer komplexen Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen und zwanghaften Anteilen leidet, hatte am Tatabend eine Blutalkoholkonzentration von 2,3 Promille.

    Den Tötungsvorsatz hat das Landgericht aufgrund der Gefährlichkeit der Tatausführung, der Kenntnis der Angeklagten von der Medikamentierung und des Unterlassens von Rettungsbemühungen geschlossen. Auch erkannte das Landgericht keine Anhaltspunkte, dass die Angeklagte die Lebensgefährlichkeit ihres Handelns nicht erkennen konnte.

    Der Bundesgerichtshof (BGH) hat bezüglich dieses Rückschlusses Bedenken. Das Landgericht bestätigte der Angeklagten eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit zur Tat. Daher müssen, wenn von der Gefährlichkeit der Tatausführung auf den Tötungsvorsatz geschlossen werden will, alle subjektiven und objektiven Umstände umfangreich abgewogen werden.

    Es versteht sich nicht von selbst, dass ein Täter, der – wenn auch lediglich nicht ausschließbar – aufgrund einer Persönlichkeitsstörung und Alkoholintoxikation in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert ist, noch erkennt, dass seine Gewalthandlung zum Tod des Opfers führen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2011, aaO).

    In diesem Fall wurden dem Opfer lediglich grundsätzlich nicht lebensbedrohliche Risswunden zugefügt. Somit ist die Lebensbedrohlichkeit nicht ohne weiteres erkennbar gewesen. Daher hätte sich das Landgericht in diesem Fall näher mit dem Willenselement befassen müssen. Aus diesem Grund wird der Schuldspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

    BGH, Beschluss vom 28. Februar2012, Az.: 3 StR 17/12

  • Äußeres Tatverhalten hat lediglich eine Indizwirkung für das innere Hemmungsvermögen.

    Der Angeklagte wurde vom Landgericht Mühlhausen wegen Totschlags an seiner Lebensgefährtin zu sieben Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Dagegen richtete die Strafverteidigung die Revision.

    Das Landgericht hat beim Angeklagten eine verminderte Einsichtsfähigkeit und aufgrund eines vorhanden hirnorganischen Psychosyndroms auch eine verminderte Steuerungsfähigkeit angenommen. Eine vollständige Aufhebung der Steuerungsfähigkeit schließt das Gericht jedoch aus und beruft sich dabei auf einen Sachverständigen. Dieser führte an, dass das Vor- und Nachtatverhalten des Angeklagten bezüglich der äußerlichen Gesichtspunkte nach gesteuertem Verhalten aussah.
    Der Bundesgerichtshof (BGH) stellt dagegen klar, dass die Schuldunfähigkeit nach § 20 StGB bezogen auf die Tathandlung geprüft werden muss. Äußeres Verhalten kann lediglich indiziell herangezogen werden. In diesem speziellen Fall drängt sich solch eine Indizwirkung jedoch nicht auf:

    „Denn für das spezifische Zustandsbild eines hirnorganischen Psychosyndroms mit abnormer Reaktion schon auf geringe Mengen von Alkohol, einem charakteristischen „Haften am Affekt“ und anschließender Amnesie ist der Umstand, dass der Täter äußerlich ruhig und zielstrebig vorgeht, allenfalls von geringem Indizwert für das tatsächlich gegebene Bild des inneren Hemmungsvermögens. Dass der Angeklagte „gesteuert“ seinen Revolver geholt und geladen, das Tatopfer ohne erkennbare emotionale Regung zunächst angeschossen und dann mit einem – von ihm als „Fangschuss“ bezeichneten – zweiten Schuss vor zwei Zeugen erschossen und die Waffe danach sorgfältig wieder verwahrt hat, hat in seinem äußeren Ablauf, gerade auch aufgrund dieser sehr ungewöhnlichen Umstände, keinen ohne weiteres erkennbaren Erklärungswert für die Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten.“

    Aus diesem Grund wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die Revision hatte damit Erfolg.

    BGH, Beschluss vom 24. Juli 2012, Az.: 2 StR 82/12

  • Die in einem versuchten Totschlag verwirklichte gefährliche Körperverletzung gemäß §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 StGB verjährt unabhängig vom Totschlag.

    Das Landgericht Hamburg verurteilte einen Angeklagten wegen Beihilfe zum versuchten Totschlag und Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung aus dem Jahr 1992 zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und drei Monaten.

    Die Strafverteidigung legte hiergegen Revision ein, da die Körperverletzung bereits verjährt war.

  • Es reicht nicht aus, wenn das Urteil lediglich das Endergebnis der Wahrscheinlichkeitsberechnung von einer DNA-Analyse enthält.

    Der angeklagte marokkanische Staatsangehörige führte in Spanien eine Beziehung mit der späteren Geschädigten. Nachdem sie sich von ihm trennte und nach Deutschland übersiedelte, versuchte der Angeklagte sie mehrfach zur Rückkehr zu bewegen. Daher reiste er einige Monate später ebenfalls nach Deutschland und spürte die Angeklagte auf.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner

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