Nach der Urteilsverkündung kann das fehlende letzte Wort des Angeklagten nicht durch eine erneute Urteilsverkündung geheilt werden.
Der Angeklagte wurde vom Landgericht Wiesbaden unter anderem wegen versuchten Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Nach der Urteilsverkündung bemerkte die Schwurgerichtskammer, dass sie dem Angeklagten das letzte Wort nicht gewährt hatte.
Gegen den Protest der Strafverteidigung, trat die Kammer erneut in die Hauptverhandlung ein. Es wurden erneut die Schlussvorträge vorgetragen und dem Angeklagten wurde nun das letzte Wort gewährt. Nach weiterer Beratung verkündete die Strafkammer ein weiteres Urteil mit demselben Tenor wie zuvor.
Die Strafverteidigung wehrt sich mit der Revision gegen beide Urteile.
Der Bundesgerichtshof (BGH) stellt klar, dass mit der ersten Urteilsverkündung das Urteil ergangen war. Anschließend war es für das erkennende Gericht nicht mehr abänderbar. Eine anschließende Heilung ist nicht möglich:
Das Ziel nachträglich einen Verfahrensfehler formal zu „heilen“, womit aber zugleich dem Angeklagten eine Rechtsmittelmöglichkeit versagt werden sollte, rechtfertigt eine solche Verfahrensweise nicht. Ein Fehler im Verfahren kann nicht dadurch geheilt werden, dass andere Verfahrensregeln von erheblicher Bedeutung verletzt werden.
Somit hat das zuletzt ergangene Urteil keinen Bestand. Ebenfalls ist auch das erste Urteil bereits aufzuheben, da es an den schriftlichen Urteilsgründen gemäß §§ 267, 275 Abs. 1 StPO fehlt. Die zur Akte gereichte Urteilsurkunde bezieht sich lediglich auf das zweite Urteil. Aus diesem Grund war auch das erste Urteil aufzuheben.
Damit hatte die Revision Erfolg. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen, dort bekommt der Angeklagte dann gewiss „das letzte Wort„.
BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2012, Az.: 2 StR 285/12