Vergewaltigung

  • Vergewaltigungen haben häufig nicht nur physische, sondern auch psychische Folgen. Über aktuelle Beispiele aus Kiel, Flensburg oder Indien berichteten die Medien jüngst.

    Folgen einer Vergewaltigung können bereits dann eintreten, wenn sexuelle Handlungen lediglich vor einem Opfer begangen wurden. Daher sehen viele Sexualstrafdelikte nicht nur eine Strafe bei sexuellen Handlungen „an“ einem Opfer vor, sondern auch bei sexuellen Handlungen „vor“ einem Opfer. Dies betrifft auch den Tatbestand des sexuellen Missbrauchs von Kindern im Sinne des § 176 Abs. 4 Nr. 1 StGB. „Sexuelle Handlungen vor einem anderen“ erlauben jedoch einen weiten Interpretationsspielraum. Sie sind deshalb in § 184g Nr. 2 StGB legaldefiniert. Demnach muss ein Opfer den Vorgang auch tatsächlich „wahrnehmen“, um im Rahmen der sittlichen Gefährdung quasi „passives Opfer“ einer Vergewaltigung zu werden.

  • Die Aberkennung des Ruhegehalts eines Polizeibeamten nach der Verurteilung wegen Besitzes von Kinderpornographie ist rechtmäßig.

    Ein Polizeibeamter, der seit 1974 im Dienst des klagenden Landes stand, wurden mehrere strafrechtlich relevante Fehlverhalten vorgeworfen. Unter anderem waren es der sexuelle Missbrauch einer Frau, Vergewaltigung einer Frau und Besitz und Beschaffung von kinderpornographischen Schriften. Wegen des Vorwurfs des Besitzes bzw. der Beschaffung von Kinderpornos hat das Amtsgericht Daun eine Gesamtgeldstrafe in Höhe von 120 Tagessätzen zu je 70 Euro per Strafbefehl gegen ihn verhängt. Die restlichen Verfahren wurden von der Staatsanwaltschaft eingestellt.

  • Wird ein Antrag auf ein Glaubwürdigkeitsgutachten wegen Bedeutungslosigkeit abgelehnt, muss grundsätzlich die Bedeutungslosigkeit begründet werden.

    Das Landgericht Freiburg verhandelte im Strafprozess gegen den Angeklagten wegen des Verdachts der Vergewaltigung.

    Er soll eines Nachts seine Tochter und deren 17-jährige Freundin abgeholt haben, um sie zu seiner geschiedenen Frau zu bringen. Als er die Wohnung erreichte, soll er seine Tochter aus dem Wagen gelassen und gesagt haben, dass er mit ihrer Freundin noch etwas besprechen müsste.

  • Korrigiert ein Zeuge bei falschen Vorhalten seine Aussage, spricht dies möglicherweise für eine Suggestibilität des Zeugens.

    Nach einem Dorffest kam es auf dem Heimweg zwischen dem Angeklagten und der mutmaßlich Geschädigten zum Oralverkehr. Dabei wurden die Beiden vom langjährigen Freund der Frau erwischt. Während der Angeklagte von einvernehmlichem Oralverkehr spricht, behauptet die Frau, dass er sie vergewaltigt habe.

  • Bietet der Werdegang des Angeklagten Hinweise auf eine mögliche Schuldunfähigkeit, muss im Urteil darauf eingegangen werden.

    Der 58-jährige Angeklagte war bereits mehrfach wegen Trunkenheitsdelikten im Straßenverkehr, versuchter Vergewaltigung und gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden. Im konkreten Fall klingelte er alkoholisiert bei einer Nachbarin, um sich ein Taxi rufen zu lassen, da er selbst kein Telefon besaß. Als diese die Tür einen Spalt öffnete, erklärte er der Geschädigten, dass er mit ihr Sex haben möchte und griff sich in den Schritt. Zusätzlich versuchte er gewaltsam die Tür weiter aufzustemmen. Als dies scheiterte, ging er um das Haus zum Wohnzimmerfenster und entblößte sich.

  • Das Fesseln des Opfers während einer Vergewaltigung mit einem Büstenhalter ist keine gefährliche Körperverletzung.

    Der Angeklagte wurde vom Landgericht Oldenburg wegen Vergewaltigung in zwei Fällen und wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Gegen die Verurteilung wehrte sich die Strafverteidigung mit der Revision.

    Das Landgericht nahm eine gefährliche Körperverletzung an, da es den Büstenhalter, der vom Täter zum Fesseln des Opfers genutzt wurde, als gefährliches Werkzeug im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB wertete. Dies sieht der Bundesgerichtshof (BGH) anders, der sich folgenden Ausführungen des Generalbundesanwalts anschließt:

    „Im Fall 2 der Urteilsgründe ist das Verfahren … nach Maßgabe des § 206 a StPO (vgl. BGHSt 32, 275, 292 [richtig: 290] a.A. Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl. § 206 a Rdnr. 6) einzustellen, weil der zum Fesseln benutzte Büstenhalter kein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB ist (vgl. BGH NStZ 2002, 594), deshalb kein Vergehen der gefährlichen Körperverletzung vorliegt und in Ansehung der verbleibenden vorsätzlichen Körperverletzung Verfolgungsverjährung eingetreten ist.“

    Da die fünfjährige Verjährungsfrist vor Erhebung der Anklage bereits abgelaufen war und ferner kein Strafantrag vorlag, ist eine Verurteilung wegen Körperverletzung nicht mehr möglich. Daher hebt der Senat die Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung auf und stellt das Verfahren ein. Da der Schuldspruch nun nur noch auf Vergewaltigung in zwei Fällen lautet, wird im Umfang der Aufhebung die Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

    BGH, Beschluss vom 13. November 2012, Az.: 3 StR 393/12


  • Nutzt der Täter die Angst einer früheren Gewalttat aus, ohne erneut zu drohen, so fehlt es am Finalzusammenhang.

    Der Angeklagte wurde wegen schwerer Vergewaltigung unter Einbeziehung der Strafe aus einer Vorverurteilung wegen Mordes vom Landgericht Düsseldorf zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt. Dagegen richtete die Strafverteidigung die Revision.

    Nach Feststellung des Landgerichts stand der Angeklagte eines Tages bei seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau in der Wohnung. Dort erschoss er einen guten Freund der Frau. Anschließend richtete er die Pistole auf seine Ehefrau und forderte sie auf, mit ihm zum Reden mitzukommen. Da die Frau Angst hatte, ebenfalls erschossen zu werden, fuhr sie mit dem Angeklagten zu einem naheliegenden Hotel. Während der Fahrt behauptete die Frau aus Furcht, dass sie den Angeklagten ebenfalls immer noch lieben würde.

    Im Hotel angekommen forderte der Angeklagte seine Ehefrau auf, sich zu entkleiden. Auch der Angeklagte entkleidete sich und packte die Pistole zur Seite. Anschließend fragte er, ob er mit ihr schlafen dürfte. Die Nebenklägerin, die für den Angeklagten erkennbar noch unter Angst stand, stimmte zu. Es kam dann zum Geschlechtsverkehr, den das Landgericht als schwere Vergewaltigung gemäß § 177 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 1 StGB wertete, da der Angeklagte die entstanden Bedrohungslage ausgenutzt habe.

    Der Bundesgerichtshof (BGH) hat bezüglich dieser Einordnung seine Zweifel. Der Geschlechtsverkehr muss mit Gewalt oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben erzwungen werden. Es muss auch ein Finalzusammenhang bestehen, das bedeutet, dass das Nötigungsmittel nach dem Willen des Täters zum Herbeiführen des Erfolges tatsächlich dienen muss.

    Eine aus anderen Gründen vorgenommene Gewalt kann auch später noch als Drohung fortwirken, wenn der Täter durch schlüssiges Handeln eine Gewaltanwendung zu wiederholen androht. Es reicht jedoch nicht aus, dass der Täter erkennt, dass die Person noch verängstigt ist und er dies für sexuelle Handlungen ausnutzt. Er muss die Anwendung von Gewalt zumindest konkludent erneut zum Ausdruck bringen.

    „Dafür könnte zwar etwa sprechen, dass der Angeklagte die Nebenklägerin aufforderte, sich auszuziehen, und die Pistole in das Hotelzimmer mitgenommen hatte, auch wenn der Grund für letzteres nicht festgestellt ist. Andererseits begann der Angeklagte mit den sexuellen Handlungen erst, nachdem die Nebenklägerin sich ihm während der Autofahrt zugewendet und seine Frage, ob er mit ihr schlafen könne, entsprechend beantwortet hatte. Auch wenn dieses Verhalten der Nebenklägerin vor allem durch ihre Angst begründet war, hätte es vor diesem Hintergrund sowie im Hinblick auf das Nachtatverhalten des Angeklagten eindeutigerer Feststellungen bedurft, um eine finale Bedrohung zur Erzwingung der sexuellen Handlungen mit genügender Sicherheit zu belegen.“

    Somit fehlt es am Finalzusammenhang zwischen der ursprünglich angewandten Gewalt und der späteren sexuellen Handlung. Der BGH hebt aus diesem Grund die Verurteilung wegen schwerer Vergewaltigung auf und verweist die Sache an das Landgericht zurück.

    BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2012, Az.: 3 StR 385/12

  • Es muss eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades bestehen, dass der Täter in Zukunft weitere erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

    Der Angeklagte leidet seit 1997 an einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie mit inhaltlichen Denkstörungen, paranoider Symptomatik und teilweise eindeutig wahndeterminiertem Verhalten. Eine im Jahr 2004 angeordnete Unterbringung nach § 63 StGB wurde zur Bewährung ausgesetzt. Der Angeklagte befand sich daraufhin in einer Therapieeinrichtung.

    Nach der Feststellung des Landgerichts Trier führte er gegen den Willen einer sich ebenfalls in der Therapieeinrichtung befindenden schwerbehinderten Frau den Oralverkehr mit ihr durch. Die Strafkammer hielt den Angeklagten zur Tatzeit für schuldunfähig. Aus diesem Grund sprach das Landgericht den Angeklagten vom Vorwurf der Vergewaltigung frei, ordnete jedoch die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Dagegen wehrt sich die Strafverteidigung des Angeklagten mit der Revision.

    Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist ein besonders gravierender Eingriff in die Rechte des Betroffenen. Aus diesem Grund muss eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades bestehen, dass der Täter in Zukunft weitere erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die bloße Möglichkeit zukünftiger Straftaten reicht dafür nicht aus.

    Ein Sachverständiger vor dem Landgericht führte aus, dass beim Angeklagten die Bereitschaft zur Gewalt eher gering bis moderat ausgeprägt sei. Er attestierte dem Angeklagten eine moderate bis deutliche Rückfallgefahr:

    „Ohne Therapie oder andere risikosenkende Maßnahmen sei eine Rückfallfreiheit zwar möglich, jedoch nicht wahrscheinlich. Im Weiteren wird ausgeführt, die Legalprognose sei „aktuell sehr ungünstig, im günstigsten Fall neutral“. In Freiheit sei mit „deutlicher“ Wahrscheinlichkeit wieder mit Delinquenz zu rechnen; bei nicht genügender Medikation sei „durchaus“ mit Gewaltdelikten, wie Körperverletzungen aber auch mit Sexualstraftaten und Tötungsdelikten zu rechnen.“

    Der Bundesgerichtshof (BGH) kritisiert, dass das Landgericht zwar von zukünftigen erheblichen rechtswidrigen Taten überzeugt war, jedoch nicht klar machte, was für Taten zu erwarten seien. Ebenfalls seien die Ausführungen des Sachverständigen nicht geeignet, um eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades zu belegen.

    Aus diesem Grund hebt der BGH das Urteil des Landgerichts auf. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die Revision hatte insoweit Erfolg.

    BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2012, Az.: 2 StR 180/12

  • Weiß der Täter nichts von den Umständen, aufgrund derer die Geschädigte in eine hilflose Lage geraten ist, handelt er ohne Vorsatz.

    Das Landgericht Essen verurteilte den Angeklagten wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten.

    Die Geschädigte wurde von einem gesondert Verfolgten aus ihrer polnischen Heimat nach Deutschland gelockt. Er versprach ihr in Deutschland gut entlohnte Arbeitsmöglichkeiten. Tatsächlich musste die Frau jedoch im Haushalt der Familie aushelfen. Dabei soll der gesondert Verfolgte die Frau mehrfach vergewaltigt haben.

    Der Angeklagte lernte die Frau bei einem Besuch der Familie kennen. Dabei konnte das Landgericht jedoch nicht feststellen, dass der Angeklagte von den vorherigen sexuellen Übergriffen und Drohungen wusste.

    Der Angeklagte und der gesondert Verfolgte lockten die Geschädigte in die Wohnung des Angeklagten. Dort gaben sie der Frau eine Marihuana-Zigarette, um später mit ihr den Geschlechtsverkehr durchzuführen. Obwohl sie auch anschließend erklärte, dass sie das nicht wolle, führten beide Männer gleichzeitig den Geschlechtsverkehr mit ihr durch. Die Frau wehrte sich nach ihrer anfänglichen Weigerung nicht weiter. Sie hielt es aufgrund ihrer Ortsunkundigkeit, der Anonymität in dem großen Wohnblock, ihrer herabgesetzten körperlichen Funktionstätigkeit und ihrer fehlenden Kenntnisse der deutschen Sprache für sinnlos, sich weiter zu wehren.

    Die Strafverteidigung wehrt sich mit der Revision gegen die Verurteilung wegen Vergewaltigung. Das Landgericht nahm an, dass sich die Frau in einer objektiv schutzlosen Lage befunden hätte, da sie keine effektiven Schutz- und Verteidigungsmöglichkeiten besaß. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat jedoch bezüglich des Vorsatzes des Angeklagten erhebliche Bedenken:

  • Stimmen Spuren bei einer DNA-Reihenuntersuchung teilweise überein, dürfen die Behörden die Ermittlungen nicht auf den Verwandtenkreis ausweiten

    Nach einer Vergewaltigung einer 27-Jährigen führten die Ermittler eine molekulargenetische Reihenuntersuchung im Sinne des § 81h StPO durch. Ungefähr 2400 Männer gaben freiwillig DNA-Proben ab. Darunter auch der Vater und Onkel des späteren Angeklagten. Diese DNA-Proben zeigten einige Übereinstimmungen mit der Tatspur, stimmte jedoch nicht vollständig überein. Aufgrund dieses Fundes wussten die Ermittler, dass es ein Verwandter der beiden Männer sein könnte. Daraufhin wurde der jugendliche Angeklagte ermittelt, zwangsweise eine DNA-Entnahme angeordnet und später vom Landgericht Osnabrück wegen Vergewaltigung zu einer Jugendstrafe von fünf Jahren verurteilt.

    Die Revision des Angeklagten richtet sich nun gegen dieses Vorgehen. Der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigt, dass die verwandtschaftliche Beziehung zwischen dem mutmaßlichen Täter und den freiwilligen Spendern nicht als verdachtsbegründend gegen den Angeklagten verwendet werden durfte. Denn der § 81h Abs. 1 StPO erlaubt den Abgleich nur soweit, wie es für die Feststellung erforderlich ist, ob die Spende mit der Tatspur identisch ist. Die anschließende Anordnung, dass der nun Angeklagte seine DNA abgeben musste, war demnach rechtswidrig, weil sie sich auf den Verdacht durch die DNA-Spur der Verwandten stütze.

    In diesem konkreten Fall führt dies aber nicht zu einem Verwertungsverbot. Der Umgang mit sogenannten Beinahtreffern war rechtlich bisher ungeklärt. Daher haben die Ermittlungsbehörden die Gesetze nicht willkürlich missachtet. Aus diesem Grund wiegt der Verstoß nicht so schwer, dass das Interesse der Allgemeinheit an einer effektiven Strafverfolgung zurücktreten muss.

    Damit untersagt der BGH zwar grundsätzlich das Verwenden von Beinahtreffern zur Ermittelung des Täters in der Verwandtschaft. In diesem konkreten Fall führt das Vorgehen aber ausnahmsweise nicht zu einem Beweisverwertungsverbot.

    BGH, Urteil vom 20. Dezember 2012, Az.: 3 StR 117/12


Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner

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